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Hundestaffel

Hundestaffel

Titel: Hundestaffel
Autoren: Stefan Abermann
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brächte, würde ich enden wie sie, dachte ich.
    Ich rettete mich ins Wohnzimmer. Beigetöne, weite, unkomplizierte Flächen breiteten sich sanft vor mir aus. Ich fühlte mich erleichtert. Da war der Beat. Die Musik. Alles würde gut.
    In der hinteren Ecke stand ein provisorisches DJ-Pult. Wie eine Kommandobrücke lag es im Fluchtpunkt des Raums. Dahinter standen Hannes und Leo an einem Laptop, das Licht des Bildschirms beleuchtete ihre grinsenden Gesichter wie ein glimmendes Lagerfeuer. Leo löste sich immer wieder von der Glut, zuckelte um Hannes herum, deutete Tanzbewegungen an. Ein linkisches Lächeln stand ihm im Gesicht, er hielt den Rücken leicht geknickt. Ich vergaß die traurige Gestalt am Klo. Leo deutete auf den Bildschirm, ein weiterer Track wanderte in die Playlist. Der laufende Titel wurde von Hannes abrupt abgebrochen.
    Stille.
    Einige Köpfe drehten sich irritiert zu Hannes. Plötzlich klangen die Gespräche unerlaubt laut. (Meine Theorie: Wenn auf einer Party die Musik abbricht, denken manche Leute instinktiv, dass die Polizei an der Tür steht. Man kann an den Gesichtern ablesen, dass sich mehr als einer ertappt fühlt. In dieser Stille fühlt man sich nackt.)
    Bass-Drum.
    Entwarnung: Der nächste Track hüpfte in die Warteschleife. Eine Sirene wie ein Weckruf, ein abgedämpfter Beat, monotones Schnarren. Und dann der große Knall. Klopfen huschte durchs Stereo wie ein gemeines Gesicht in der Dunkelheit:
Change my picture. Smack my bitch up
.
    Allgemeine Erleichterung. Die Musik war wieder da. Die Polizei weit entfernt. Alles in Ordnung. Du kannst weitermachen. Weiter im Text.
    Leo warf enthusiastisch den Kopf hin und her, er hielt die Augen geschlossen, öffnete sie jedoch in kurzen Abständen und sah Hannes fragend an. Als dieser anerkennend nickte, schien Leo zufrieden. Er drehte die Lautstärke weiter auf. Meine Faust schlug den Takt in die Luft.
    Begrüßen wir unseren Freund: Adrenalin.
    Die Basswellen fuhren mir in die Glieder, sammelten sich als kribbelnde Energie in meinen Gelenken. Schall konnte auf mich dieselbe Wirkung haben wie Schnüre auf eine Marionette: Alles bewegte sich ohne Verantwortung. Totale Erleichterung. Selbst den Weg durch die Steinfliesen hätte ich jetzt wieder gefunden.
    Ich nickte im Takt der Musik und steuerte auf die Getränke zu. Der Marionettenspieler ließ meine Beine federnd wippen. Meine Hände griffen nach einer Flasche, ihre Kälte meldete sich in den Fingerspitzen zum Dienst.
    Rum mit Cola. Party, zum Teufel!
    Jemand tippte mir auf die Schulter. Ich drehte mich um und sah in Annas Gesicht. Ihr Outfit für den Abend: ein aufgeweichtes Grinsen als Make-up und ein draller Schwung, den sie nachlässig in den Hüften trug. Dazu ein Designerlallen von Martini auf der Zunge. Die Leidenschaft und ein bittersüßer Geschmack.
    Wo Bélisa sei, fragte sie. Ich nahm einen Schluck aus dem Glas und antwortete ihr. Theatralisch warf sie daraufhin den Arm zur Seite: „Sieg! Triumph!“, schrie sie, „Last woman standing!“ Sie riss den Arm wieder an den Körper, um Schwung für eine Drehung zu bekommen. Eine Pirouette wie von einer betrunkenen Eiskunstläuferin. Direkt aus der Manege.
    Anna, kleine Eisprinzessin. Niemand drehte sich so wie du.
    Während die Pirouette stetig schneller wurde, kam Hannes näher, schlitterte in mein Gesichtsfeld wie auf Kufen. Annas Hand unterbrach seine Fahrt, traf seine Brust wie ein Hammer einen Amboss. Die Bewegung geriet aus dem Gleichgewicht. Anna schlug mit einem dumpfen Poltern auf dem Steinboden auf. Eigenartig verdreht blieb sie liegen; für eine Sekunde glaubte ich, dass ihr etwas passiert sein könnte. Meine Hand zuckte nach vorne, als hätte ich den Sturz noch auffangen können, obwohl ihr Körper bereits auf dem Boden lag.
    Doch auch ohne mich löste sich alles in Wohlgefallen auf. Anna gackerte los, wieherte, ihr Zwerchfell ließ den Körper zucken. Auch ich musste lachen. Hannes hingegen schüttelte nur den Kopf. Anna sah nach oben, sah Hannes, seinen abschätzigen Blick, und verstummte augenblicklich. Sie blieb peinlich berührt liegen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich zitternd. Ich war mir sicher, dass sie in diesem Moment nichts hörte außer ihr Atmen.
    Hannes klopfte mir kumpelhaft auf die Schulter. Ich prostete ihm zu, nippte an meinem Glas. Er sah mich vielsagend an. Seine Augen sagten etwas über Anna: Fallobst, meinte er. Die liegt jetzt schon flach, sagten seine Augen. Geh hin und nimm sie dir, suggerierte dieser
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