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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht
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einen spöttischen Blick zu, dann nahm sein Gesicht einen ehrlich verwirrten Ausdruck an. »Du und ich, wir sind Seelenverwandte, Thomas. Und Blutsbrüder – du hast doch sicher nicht den Pakt vergessen, den wir als Kinder auf dem Gut meines Vaters geschlossen haben? Ich… ich verstehe nicht, warum du dein gesamtes Erbe weggeworfen hast für…« Philipp ging zu Thomas hinüber und zupfte an seinem Habit, »das hier!«
    »Ich habe meine Sünden bereut…«
    »Pah! Du hast nur Angst bekommen!«
    Thomas’ Gesicht verfinsterte sich, und er wandte sich von ihm ab. »Kann ich darauf vertrauen, dass Ihr mir für meine Reise zum Lager der Engländer eine Eskorte zur Verfügung stellt?«
    »Ob du es glaubst oder nicht, Tom«, sagte Philipp leise, »wenn du mich darum bittest, könntest du mir dein Leben anvertrauen.«
     
     
    Ein wenig später an diesem Tag stand Philipp vor Karl, sein Gesicht ungläubig verzogen. Er kannte Karl von Kindheit an und hatte schon vor langer Zeit festgestellt, dass er ein Feigling war, der niemandem etwas nützen würde.
    Aber nun stand der Dauphin vor ihm, seine gesamte Haltung strahlte Sicherheit und Autorität aus, und sprach von einem Mädchen, das mit dem Wort Gottes zu ihm gekommen war.
    Philipp hätte gelacht, wenn er nicht an Katherines Gesicht gesehen hätte – die er ebenfalls schon sein ganzes Leben lang kannte und daher um ihre Intelligenz und ihren Mut wusste –, dass an dieser Geschichte durchaus etwas Wahres war.
    Gott hatte tatsächlich Karl für diese Schlacht auserwählt?
    Philipp revidierte hastig seine Pläne, lächelte und verneigte sich vor ihm. »Vielleicht können wir zu einer Einigung gelangen«, sagte er, und Karl erwiderte das Lächeln seines Cousins und nickte.

Kapitel Zehn
     
    Der zwanzigste Sonntag nach dem Test der Dreifaltigkeit
    Im einundfünfzigsten Jahr der Regentschaft Eduard III.
    (31. Oktober 1378)
     
    – I –
     
     
     
    Die Straße südlich von Philipps Lager vor den Toren der Stadt Paris zum zweihundert Meilen entfernten Chauvigny war voller Gefahren. Zehntausende von Bauern flüchteten auf ihr nach Norden, in der Hoffnung, vor dem befürchteten Vorstoß der Engländer irgendwo Unterschlupf zu finden. Sie waren verängstigt, rücksichtslos und gefährlich. Viele hatten seit Tagen oder Wochen kaum etwas gegessen und so stahlen sie alles, was irgendwie essbar aussah oder was sie vielleicht gegen etwas zu essen eintauschen konnten. Philipp hatte Thomas eine Eskorte von dreißig Soldaten mitgegeben, doch sie reichte kaum aus, um die hungrigen, wütenden Banden der Bauern in Schach zu halten.
    Thomas fragte sich, wie Philipp und Karl sich ihnen entgegenstellen würden, wenn sie erst einmal in Paris waren.
    Schlimmer noch als die Bauern waren die Soldaten. Als die Armee des schwarzen Prinzen die Franzosen bei Poitiers besiegt hatte, waren jene Fußsoldaten – Pikeniere, Bogenschützen und gewöhnliche Soldaten –, die den rachedurstigen Klingen der Engländer entkommen waren, in das Umland geflohen. Jetzt waren viele von ihnen nach Norden unterwegs, nicht nur, um den Engländern zu entkommen, sondern auch, wie Thomas annahm, um von Dauphin Karl ihre Bezahlung einzufordern. Offenbar hatte König Johann über seiner Gefangennahme versäumt, den Soldaten und Söldnern, die er aus anderen Ländern in seine Dienste genommen hatte, ihre Löhne zu bezahlen.
    Jetzt sorgten diese Männer – neben den Franzosen deutsche und Schweizer Söldner – für ebenso viel Chaos und Elend wie die heranrückende englische Armee. Sie raubten, brandschatzten, vergewaltigten und töteten, während sie wie ein Schwarm Ungeziefer über das Land herfielen. Mehrere dieser Banden griffen Thomas und seine Eskorte an, doch Philipps Soldaten waren fähige Männer, die hart kämpften und die Angreifer vertreiben konnten.
    Bei all den hungrigen und zornigen Bauern und den unbezahlten Soldaten war die Reise nach Süden gefahrvoll und unsicher. Thomas und seine Eskorte suchten sich, wenn möglich, jede Nacht eine Unterkunft – ein Gasthaus, die ausgebrannte Ruine einer Bauernhütte oder Scheune, die von Würmern zerfressenen Überreste eines Waldes, der vor langer Zeit von einem Sturm gefällt worden war. Viele von ihnen blieben die halbe Nacht lang wach und hielten Wache, für den Fall, dass sie angegriffen wurden, zuckten bei jedem Schatten oder dem Quietschen einer Feldmaus zusammen, die den Nachstellungen hungriger Flüchtlinge entgangen war.
    Die Tage waren noch schlimmer,
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