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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht
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wenn sie sich abseits der Hauptstraße über Feldwege schlichen, mit gespitzten Ohren in ihren Sätteln sitzend, während ihre Augen stets wachsam über Bäume und eingestürzte Mauern glitten. Thomas konnte nicht darauf vertrauen, dass ihn sein Dominikanergewand schützen würde; die meisten Flüchtlinge, denen sie begegneten, ob nun Bauer oder Soldat, spuckten vor ihm genauso aus wie vor Philipps Soldaten. Sie verabscheuten selbst die Sonne, die jeden Morgen aufging, und hassten alle, die zur Obrigkeit zu gehören schienen, und machten sie für ihr Elend verantwortlich.
    Ihr habt uns nicht gerettet. Ihr konntet die Engländer nicht aufhalten. Warum sollten wir Euch also Achtung entgegenbringen?
    Als sie nur noch etwa zwanzig Meilen von Chauvigny entfernt waren, zwei Wochen nachdem sie Philipps Lager verlassen hatten, machten ihnen nicht nur hungrige Bauern und umherstreifende Soldaten das Leben schwer. Sie hörten Gerüchte über Banden von abtrünnigen Engländern, die die Gegend um Chauvigny unsicher machten und plünderten, wo sie nur konnten. Kurze Zeit später, nachdem Thomas und seine Eskorte ein winziges, abgebranntes Dorf passiert hatten, trafen sie auf der Straße einen einsamen Reisenden, der auf sie zukam.
    Selbst angesichts eines einzelnen Mannes, und noch dazu eines, der so erschöpft und verwundet aussah wie dieser – er humpelte an Krücken, ein Fuß war dick mit Verbänden umwickelt –, scharten sich Philipps Soldaten dicht um Thomas und legten die Hände an die Schwerter.
    In diesen düsteren Zeiten konnte man niemandem trauen.
    Doch der Mann sank auf die Knie, als sich die Reiter näherten und brach unwillkürlich in Tränen aus, als er mit dem Fuß gegen einen spitzen Stein stieß.
    »Bruder!«, rief er und streckte die Hand aus. »Bruder, segnet mich, ich bitte Euch!«
    Thomas winkte die Soldaten zurück und zügelte sein Pferd; es war immer noch Marcels treuer brauner Wallach. Er hob seine rechte Hand zum Segen, machte das Zeichen des Kreuzes über dem Kopf des Mannes und murmelte ein paar Worte.
    »Ich danke Euch, Bruder«, sagte der Mann und blickte mit tränenüberströmtem Gesicht zu ihm hoch. »Ich danke Euch!«
    »Woher kommt Ihr?«, fragte Thomas.
    Der Mann schniefte und wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab. »Von einem kleinen Dorf südlich von Châtellerault, Vater. Châtellerault liegt…«
    »Ich weiß, wo es liegt. Was für Neuigkeiten könnt Ihr mir berichten? Wo sind die Engländer? In welchem Zustand befinden sie sich?«
    »Bruder, genauso gut könnt Ihr mich fragen, in welchem Zustand sich die gesamte Menschheit befindet. Ich habe nichts als Grauen hinter mir zurückgelassen: den Ehrgeiz der teuflischen Engländer, ihre Zerstörungen, ihre Morde, ihren Hass. Das ganze Land steht in Flammen, ob nun durch die Fackeln der englischen Hunde oder durch die der braven Franzosen in Brand gesetzt, die verhindern wollen, dass ihre Güter und Vorräte in die Hände der Engländer fallen. Eine Rauchwolke liegt über dem Land, und Furcht breitet sich überall aus. Ich habe die große Pest erlebt, Bruder, und damals hat es nicht halb so viel Verzweiflung gegeben wie heute.«
    »Wie wurdet Ihr verwundet?«
    »Ich hatte mich in einem Heuhaufen versteckt. Frisches, süßes Heu, das ich auf meinem eigenen Land gemäht hatte. Die englischen Hunde kamen vorbei, und sie haben mit langen Piken ins Heu gestochen, auf der Suche nach ehrlichem französischen Blut. Die Pike, die mir den Fuß durchstochen hat, hat meiner Frau die Kehle herausgerissen. Als die Engländer sahen, dass Blut aus dem Heu floss, haben sie gelacht und den ganzen Haufen in Brand gesteckt. Ich bin nur knapp mit dem Leben davongekommen. Ich bin der Einzige aus meinem Dorf, der überlebt hat.«
    »Und die Engländer? Sind sie immer noch in Chauvigny?«
    »Ja, Bruder, obwohl sie in weiten Umkreisen das Land verwüsten, auf der Suche nach etwas zu essen. Ich bete jede Stunde, die mir noch verbleibt, darum, dass die Pest zurückkehrt und alle Engländer auf französischem Boden niederstreckt.«
    Thomas nickte ihm zu und wendete dann sein Pferd. Der Mann hatte nicht mehr lange zu leben – die grauen Streifen des Gifts waren bereits bis zu seinem Hals und dem Kinn vorgedrungen – und würde dieses elende Leben bald hinter sich lassen.
     
     
    Am späten Nachmittag waren sie nur noch wenige Meilen von Chauvigny entfernt. Sie sahen den Burgberg in der Ferne vor sich aufragen, eine dichte Ansammlung von Bergfrieden und Türmen
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