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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht
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fester und redete leise und beruhigend auf das Pferd ein.
    Zu seiner Linken bewegte sich etwas im Nebel: ein Schatten, der hinter einen Baum huschte. Er war buckelig und missgestaltet, doch Thomas wusste nicht, ob es sich tatsächlich um ein Geschöpf des Teufels handelte oder ob es lediglich an der verzerrenden Wirkung des Nebels lag.
    Das Pferd wieherte und wollte ausbrechen.
    Thomas konnte es jedoch im Zaum halten und trieb es zu schnellem Lauf an. Es hatte keinen Sinn, hier stehen zu bleiben und darauf zu warten, dass sich eine Klinge oder ein Speer in seinen Rücken bohrte.
    Der Wald wurde dichter, und in Thomas wuchs das Gefühl, von allen Seiten umzingelt zu sein. Er wollte etwas rufen und tat es dann doch nicht, weil er befürchtete, das ganze Ausmaß seiner Angst preiszugeben.
    Doch nein, Gott und der heilige Michael waren ganz sicher bei ihm.
    Er brauchte keine Angst zu haben.
    Thomas erinnerte sich plötzlich daran, dass es ein besonderer Tag war. Allerheiligen, doch nach alter Sitte Allerseelen, eine Nacht, in der die Seelen der Toten erwachten und das Land heimsuchten.
    Was befand sich in dem Nebel um ihn herum?
    Plötzlich tauchte irgendwo vor ihm ein Leuchten auf. Thomas zügelte sein Pferd und trieb es dann umso schneller wieder an. Sein Herz schlug ihm nun bis zum Hals.
    Lieber Herrgott, er hatte nicht einmal ein Schwert, mit dem er sich verteidigen konnte!
    Das Leuchten wurde undeutlicher und verwandelte sich schließlich in fünf oder sechs Lichtpunkte, die auf einer kleinen Lichtung verteilt waren.
    Fackeln, die in Bäumen steckten.
    Thomas brachte sein Pferd am Rand der Lichtung zum Stehen. Das Licht der Fackeln ließ den Nebel noch dichter erscheinen – Licht funkelte im Dunst und verlieh allem ein unheimliches, gelblich rosafarbenes Glühen, als sei die Schöpfung selbst in Brand geraten.
    Warum war es dann so kalt und feucht?
    Thomas schluckte, nahm allen Mut zusammen und sagte: »Ich bin Thomas Neville, Bruder des Predigerordens und komme von Philipp, dem König von Navarra und Grafen von Évreux, mit einer Botschaft für den schwarzen Prinzen, Eduard, Prinz von Wales.«
    Nichts.
    Thomas blickte sich um, Schweiß rann ihm den Rücken hinab und sammelte sich an seinem Gesäß. Sollte er seine Worte wiederholen? Hinter diesen Bäumen waren doch sicher Männer, die ihn hören konnten! Gewiss…
    Auf der Lichtung bewegte sich etwas und Thomas erstarrte.
    Ein Reiter tauchte auf; ein Ritter in voller Rüstung, der einen großen Helm mit heruntergeklapptem Visier trug. Sein Streitross war riesig; ein grauer Hengst, der den Kopf neigte und mit dem Huf scharrte, als ihn sein Reiter zum Stehen brachte. Die schneeweiße Mähne des Tiers fiel über den glänzenden Stahl seiner Kopfplatte.
    Doch Thomas hatte nur Augen für den Reiter. Seine Wappenzeichen waren deutlich sichtbar auf Schild, Helm und der Satteldecke des Hengstes, und obwohl das Visier das Gesicht des Ritters verbarg, wusste Thomas sehr gut, wer er war.
    Heinrich von Bolingbroke, der Sohn von Johann von Gent und Blanche aus dem Hause des Herzogs von Lancaster, ältester Enkel von Eduard III. und Prinz des Königreichs, wenn auch nicht ganz Erbe des Throns.
    »Hal!«, flüsterte Thomas.
    Bolingbrokes Helm bewegte sich nur leicht, dann wendete der Prinz seinen Hengst und verschwand im Nebel.
    Nach kurzem Zögern folgte Thomas ihm.

Kapitel Elf
     
    Der zwanzigste Sonntag nach dem Fest der Dreifaltigkeit
    Im einundfünfzigsten Jahr der Regentschaft Eduard III.
    (31. Oktober 1378)
     
    – II –
     
     
     
    Bolingbroke führte Thomas durch den Wald, auf einem Pfad, der so verschlungen und schwer zu erkennen war, dass Thomas schon glaubte, entweder Hal oder sein Pferd müssten über einen siebten Sinn verfügen, um ihn nicht zu verlieren. Nach wenigen Minuten wurde der Pfad jedoch breiter und stieg leicht an. Wald und Nebel lichteten sich.
    Chauvigny tauchte direkt vor ihnen auf, in Mondlicht getaucht.
    Vor den Außenmauern der Festung gab es mehrere kleine Lager für Fußsoldaten und Pikeniere. Bolingbroke führte Thomas an ihnen vorbei auf das Haupttor zu.
    Thomas erkannte bald den Grund für diese Lager. Die Engländer hatten vor den Mauern breite Gräben ausgehoben, die mit Piken gespickt waren, für den Fall eines Angriffs. Diese Soldaten sollten sie bemannen… und Freunden den Weg hindurch weisen.
    Als Bolingbroke und Thomas vorbeiritten, rief hin und wieder jemand dem Prinzen etwas zu. Ein, zwei Männer kamen zu ihm gelaufen und
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