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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht
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waren Hals hübsche jungenhafte Züge zu denen eines Mannes herangereift. Um seine Augen hatten sich leichte Sorgenfalten gebildet, doch fast noch mehr verliefen von seiner geraden Nase bis zu seinem Mund hinunter. Sein bartloses Kinn verriet eine gewisse Erbarmungslosigkeit, angesichts derer sich Thomas unwillkürlich fragte, welche Tragödien er wohl in den letzten fünf oder sechs Jahren hatte erdulden müssen.
    »Nun, Tom«, sagte Bolingbroke mit ruhiger Stimme. »Bist du gekommen, um uns die Beichte abzunehmen? Oder um uns eine Buße aufzuerlegen? Oder vielleicht bist du auch deines kratzigen schwarzen Gewandes überdrüssig und sehnst dich nach dem Gefühl von Stahl auf der Haut.«
    »Es ist schön, dich wiederzusehen, Hal«, sagte Thomas.
    Dann verneigte er sich tief vor dem Prinzen. »Mein Prinz, es ist schon zu viele Jahre her.«
    »Stimmt«, sagte Bolingbroke leise, »aber ich war nicht derjenige, der fortgegangen ist.«
    Thomas wollte etwas darauf erwidern, doch Bolingbroke wandte sich ab und ging auf eine enge Gasse zwischen zwei hoch aufragenden Gebäuden zu.
    »Hier entlang, Neville«, rief er über die Schulter. »Mein Onkel erwartet deine Neuigkeiten über unseren entfernten Cousin Philipp.«
    Thomas zuckte überrascht zusammen. Hatten der schwarze Prinz und Hal bereits von Thomas’ Ankunft und seinem Anliegen gewusst, noch bevor er es auf der Lichtung kundgetan hatte?
    Dann zuckte er mit den Achseln. Zweifellos drängten sich auf den Straßen ebenso viele englische Spione wie Flüchtlinge, und das Wappenzeichen seiner Eskorte war unverkennbar gewesen.
    Ein Soldat hinter Thomas gab ihm einen recht unsanften Stoß in den Rücken, und Thomas warf ihm einen finsteren Blick zu, ehe er Hal folgte.
    Sie wanderten tief in die Festung hinein, die Gasse war nur breit genug für eine Person – kein Wunder, dass sie die Pferde hatten zurücklassen müssen.
    Doch sie war nicht nur eng, sondern auch steil, eher eine Treppe als eine gepflasterte Straße. Die Absätze maßen kaum mehr als drei oder vier Schritte, ehe weitere Stufen folgten, die sich zwischen den Mauern der Gebäude hindurchwanden.
    Bolingbroke lief leichtfüßig vor Thomas her, und der Mönch staunte über seine gute Verfassung. Hal trug immer noch den Großteil seiner Rüstung, dennoch eilte er voran, als sei er mit kaum mehr als einem Lendenschurz bekleidet.
    Thomas hingegen geriet bereits nach kurzer Zeit außer Atem. Fünf Jahre des Gebets waren der Stärke und Geschmeidigkeit seiner Muskeln nicht eben zuträglich gewesen.
    Schließlich führte Bolingbroke Thomas in einen kleinen Hof vor dem Haupteingang einer der Burgen. Die Tür wurde schwer bewacht, doch die Männer traten sofort beiseite, als Bolingbroke und Thomas sich ihnen näherten.
    Sobald sie in der Eingangshalle standen, verhielt Bolingbroke seine Schritte und wartete, während Thomas verschnaufte.
    Dann führte er ihn schweigend in ein geräumiges Gemach, das an den Hauptsaal angrenzte.
     
     
    Das Gemach war üppig ausgestattet. An einer Seite stand ein großes Bett mit reichlich Bettzeug und einem Baldachin, ein Feuer knisterte im Kamin, der sich an einer Außenwand befand; mit Schnitzereien verzierte Bänke und Truhen füllten den Raum; und bestickte schwere Wandteppiche hingen an den Wänden, um die eisige Luft abzuhalten. Weinpokale und Teller aus Gold und Silber standen auf einem kleinen Tisch; jemand hatte gerade eine Mahlzeit zu sich genommen. Trotz der Wärme und Behaglichkeit, die das Gemach verströmte, herrschte eine merkwürdig gespannte Atmosphäre darin, die Thomas nicht sofort einzuordnen wusste. Ihm blieb jedoch keine Zeit, darüber nachzudenken, denn ein Mann in mittleren Jahren mit schütterem grauem Haar erhob sich gerade geschmeidig hinter einem Tisch, auf dem Karten und Berichte lagen, kam auf Thomas zu und blieb wenige Schritte vor ihm stehen.
    Thomas verneigte sich – wenn er kein Geistlicher gewesen wäre, wäre er auf ein Knie gesunken. »Mein Prinz«, sagte er.
    »Ich grüße Euch und hoffe, Euch bei bester Gesundheit anzutreffen.«
    Als Thomas sich aufrichtete und Eduard, dem schwarzen Prinzen, ins Gesicht sah, wurde ihm klar, dass er genau das Falsche gesagt hatte.
    Eduard ging es eindeutig alles andere als gut. Seine Haut spannte sich blass und straff über den Wangenknochen und ließ seine Nase noch mehr hervorstehen. Seine Stirn war bleich wie ein Leichentuch; in seinen braunen Augen spiegelte sich äußerste Erschöpfung. Nichts hätte Thomas mehr
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