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Follower - Die Geschichte einer Stalkerin

Follower - Die Geschichte einer Stalkerin

Titel: Follower - Die Geschichte einer Stalkerin
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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Die Geschichte einer Stalkerin
     
    1
     
    Der chromfarbene Putzwagen quietschte ein wenig, als Daniela ihn in den Aufzug schob. Niemand befand sich darin und sie drückte dankbar den Knopf für das Untergeschoss. Sie mochte es nicht, wenn sie den kleinen Aufzug auch noch mit jemandem teilen musste. Smalltalk war nicht ihr Ding. Und schon gar nicht mit den schlecht gelaunten Pflegerinnen, die ihren Frust an der Putzkolonne ausließen. Man musste keinen Fehler machen, um sich blöde Kommentare einzufangen, aber heute war leider beides passiert. Sie hatte die Wagen mit den Mittagessen hochgebracht und in den Speiseraum geschoben. Sofort waren die Senioren hinter ihr her gelaufen und unkontrolliert in den Raum geströmt. Das Mittagessen war das Ereignis des Tages, und die alten Herrschaften saßen manchmal schon um halb zwölf im Gang, auch wenn erst um Eins serviert wurde. Daniela hatte nicht schnell genug hinter sich abgeschlossen und das diensthabende Pflegepersonal war komplett ausgerastet über den Fauxpas und klagte, der ganze Tagesplan sei nun zerstört, die Medikamentenausgabe unmöglich und überhaupt war das alles Danielas Schuld.
    Das Pflegepersonal hasste sie, ganz sicher. Allein schon deswegen, weil sie nicht vorhatte, hier ihr Leben zu fristen. Sie würde in einigen Monaten umziehen und ihr Studium beginnen. Ja, das war Grund genug, sie ein bisschen zu mobben.
    Der Aufzug stoppte mit einem sanften Ruck und die Tür glitt auf. Daniela schob den Wagen vorwärts und dann nach rechts zu den Umkleiden und Arbeitsräumen des Altenheims. Die verschmutzten Wischmobs warf sie in die Sammeltonne. Die Wäscherinnen würden sich darum kümmern. Daniela sah auf die Uhr. Zum bestimmt zehnten Mal in der letzten halben Stunde. Sie musste los. Eigentlich hätte sie den Wagen noch mit sauberen Tüchern und Mobs auffüllen müssen, aber das konnte sie auch morgen erledigen. Ihr blieb nur noch wenig Zeit. Frau Kahls hatte sie fast zwanzig Minuten extra gekostet, die musste sie jetzt wieder reinholen. Daniela lief zu den Umkleiden und öffnete die Knöpfe ihres Kittels schon im Gehen. Die Kahls war sicher über hundert Jahre alt und kotzte regelmäßig auf den Boden. Anscheinend hielt sie das am Leben. Das, und das Vergnügen, Daniela beim Putzen zuzusehen. Eine nette Abwechselung im drögen Leben als alte Frau. Und das nach dem Stress mit dem Mittagessen … aber das war nun egal. Ab jetzt zählte jede Minute.
    Daniela schloss ihren Spind auf und hängte den Kittel hinein. Sie schnappte ihre Tasche und ihre Jacke, dann machte sie sich auf den Weg nach oben. Sie sah auf die Uhr. Sie sollte eigentlich noch ein paar Lebensmittel einkaufen. Das schaffte sie jetzt nicht mehr. Daniela beschleunigte ihre Schritte, fast joggte sie. Noch fünfzehn Minuten. Die Glasschiebetür in der Eingangshalle öffnete sich zu langsam und Daniela stieß mit der Schulter an den Rahmen, sodass die ganze Tür wackelte.
    „Hey, Fräulein! Langsam da!“, rief ihr jemand hinterher. Sie hörte nicht hin. Ihr Auto parkte ganz am Ende des Parkplatzes unter den Bäumen und sie öffnete es schon von Weitem per Fernbedienung. Sie erreichte den Wagen, riss die Tür auf und warf ihre Tasche auf den Beifahrersitz. Dann startete sie den Motor und setzte zügig, aber vorsichtig, zurück. Bloß keinen Blechschaden verursachen. Das würde sie aufhalten und dann kam sie zu spät. Daniela fuhr über den Parkplatz für Mitarbeiter der Seniorenresidenz „Sonnenblick“ und hielt kurz an der Ausfahrt. Sie schaute rechts und links, dann fuhr sie mit leicht quietschenden Reifen an. Noch neun Minuten.
     
    Sie schaffte es noch rechtzeitig. Die Rückblende zur letzten Folge hatte sie zwar verpasst, aber als das Fernsehbild endlich aufflammte, erschien das Emblem von „Berlin im Herzen“ in feuerroten Lettern und der Vorspann lief. Daniela hielt die Augen auf den Fernseher gerichtet und streifte dabei ihre Schuhe ab. Das Titellied der Serie erklang und eine Frauenstimme sang den nicht sehr einfallsreichen Text, der sich dem Zuschauer schon wegen seiner schlechten Reime einprägte. Nacheinander sah man die verschiedenen Darsteller in ihren rollentypischen Outfits, die sich der Kamera präsentierten, während das Bild immer zum jeweils nächsten Charakter überblendete. Eine dunkelhaarige Frau mit stark geschminkten Lippen legte mit einer überheblichen Geste den Finger ans Kinn ... ihr Gesicht verblasste und es erschien eine rundliche Blondine, die keck eine
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