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Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman

Titel: Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman
Autoren: Dittrich Verlag GmbH
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P ROLOG
    »Ey, ey, nicht anfassen! Vorsicht, Alter!« Ich schiebe, mühsam die Wut in mir zügelnd, eine fremde, ekelhafte Hand von meinem Arm. Sieht so aus, als wäre das wieder mal eine dieser beschissenen Situationen, in die man gemeinhin gerät, wenn man jung ist und glaubt, sich beweisen zu müssen. Ich bin, offen gestanden, zu alt für so’n Scheiß, hab jedoch nicht vergessen, wie das üblicherweise abläuft und stelle mich fatalistisch darauf ein, im nächsten Moment meine Fäuste in diese Gesichter rammen zu müssen, was halb so schlimm wäre, wenn nicht die Gefahr bestünde, dass auch in meinem Gesicht ein paar schwere Brocken landen könnten – und diese Möglichkeit ist sogar sehr wahrscheinlich.
    »Ist schon gut«, lenkt der mit der Hand auf meinem Arm ein. »Ich will keinen Streit, aber ich kann’s nicht leiden, verarscht zu werden.«
    »Was heißt hier
verarscht zu werden
?« Jetzt werde ich doch lauter. Nicht, dass mir daran gelegen wäre, permanent meine Ehre zu verteidigen. So einer bin ich nicht. Aber wenn Typen wie diese beiden, die mir ohnehin viel zu dicht auf der Pelle hängen, mich, dieses Thema, das Elvis-Thema, betreffend, der Lüge bezichtigen, werde ich sauer. Mit Recht. Als wär ich ein Spinner, der es nötig hätte, an Kneipentresen seine langweilige Biographie aufzupolieren. Mal abgesehen davon, dass ich nur noch selten in Kneipen rumhänge, ist der Tresen für mich immer eine Stätte der Wahrheit gewesen. An diesem Abend habe ich meinen Arsch vom Sofa gelöst, um mich an einen Tresen zu stellen, Bourbon zu schlucken, den Schweißgeruch der Umstehenden einzuatmen – voll das Kneipen-Feeling gewissermaßen – und vielleicht, wer weiß, einem interessanten Zeitgenossen zu begegnen. Nicht immer dieselben Lokale, hab ich mir kühn gesagt, nicht nur die Kneipen, die du seit Jahrzehnten kennst. Hamburg besteht ja nicht nur aus Eimsbüttel, Ottensen und St. Pauli. Na ja, ich hab mich dann doch für Eimsbüttel ent… Was heißt
entschieden
? Pures Diktat der Gewohnheit. Und weil es unbedingt ’ne Raucherkneipe sein muss. Ganz wichtig.
    Gute Musik spielt auch eine Rolle in der Kneipen-Auswahl.
    Ich habe also einen Bourbon vor mir stehen, Maker’s Mark, einen sehr soliden, sogenannten
handmade Whiskey
, auf Eis, dazu rauche ich eine filterlose Lucky Strike, werde von
I Recall A Gypsy Woman
, einem neuen Stück von Chuck Prophet, weich umspült und fühle mich sauwohl. Dann komme ich mit den beiden Typen ins Gespräch. Wir reden über Musik. Die beiden sind, grob geschätzt, zwanzig Jahre jünger als ich, kennen sich aber auch in der Musik der 60er, 70er Jahre ganz gut aus. Schließlich fällt ein Name, der mich sofort erregt lossprudeln lässt. »Den Jungen hab ich mit aufgebaut«, behaupte ich. »Mit dem hab ich irre Sachen erlebt. Ich könnte euch Storys erzählen …«
    Die beiden Vögel grinsen müde. »Jetzt willst du uns einen vom Pferd erzählen, Alter. In dieser Kneipe trifft man jeden zweiten Tag einen Spinner, der sich rühmt, mit diesem oder jenem Star irre Storys erlebt zu haben. Vorgestern hat uns einer weismachen wollen, er hätte Nina Hagen entjungfert.«
    Na ja, wie’s so geht, gibt ein Wort das andere, ich werde stinksauer, auf einmal schmeckt mir der Whiskey nicht mehr, und selbst eine Prügelei liegt, wie erwähnt, im Bereich des Möglichen.
    Doch die beiden sind tatsächlich nicht auf Streit aus. Ganz im Gegenteil. Sie sind mit einem Mal enorm interessiert, wohl weil sie eine spannende Story wittern, egal, ob wahr oder erfunden, spendieren mir einen Drink und fordern mich auf, meine Geschichte zu erzählen.
    Ich sage: »Okay, warum nicht. Aber ich warne euch. Das kann Stunden dauern. Weil ich dazu weit ausholen muss. Damit ihr wirklich die ganze Atmosphäre der damaligen Zeit mitbekommt. Es ist verdammt wichtig, den gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Hintergrund dieser Jahre zu kennen.«
    »Alles klar«, sagen sie, mittlerweile echt gespannt. »Wir haben viel Zeit.«

S CHLECHTE N ACHRICHT AUS G RACELAND
    Nur eine Frage der subjektiven Wahrnehmung: Die letzten Tage hatten sich auf unerträgliche Weise in die Länge gezogen, als hätte Gott oder wer auch immer sie nur widerwillig verstreichen lassen wollen und maximal in die Länge gezogen – falls es für Gott eine Grenze des Möglichen geben sollte. Laut Bibel natürlich nicht, aber ich bezweifelte seit geraumer Zeit, dass ER auf diesem Planeten wirklich alles im Griff hatte. Meine Uhr zeigte zwar wie
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