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Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle
Autoren: Herbert Beckmann
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damals, und wenn Baumann, also unser Chemielehrer, wenn der mal da war, also nicht krank, meine ich, dann gingen die Experimente nie auf. Sagt man auf? Jedenfalls …«
    Â»Jedenfalls stinkt’s«, unterbrach ihn Hufeland und fragte: »Wo geht’s zum Tatort, Kevin?«
    Â»Na, überall eigentlich«, erwiderte Kevin Kuczmanik, während er erstaunlich behände an Hufeland vorbeihuschte. »Es gibt zwei Hauptwege auf dem Friedhof, links und rechts. Wenn wir jetzt von der anderen Seite, also von Norden her gekommen wären, wo’s einen weiteren Eingang gibt, wenn auch anscheinend mehr über einen Schleichweg zugänglich, weil …«
    Â»Kevin«, knurrte Hufeland. »Wo? Lang?«
    Kevin Kuczmanik wies mit dem kurzen dicken Zeigefinger, der nur zur Hälfte unter seinem Ärmel hervorschaute, auf den rechten Hauptweg.
    Â»Let’s go«, sagte Hufeland und bedeutete Kevin mit einer Bewegung seines schlecht rasierten Wikingerkinns, voranzugehen. Er folgte ihm auf dem Kiesweg, dessen Steine vom Morgennebel noch feucht glänzten.
    Es war ein schöner Friedhof, wenn man nicht gerade tot war. Immergrüne, hüfthohe Sträucher und Hecken säumten den Weg, dazwischen manns- oder sogar haushohe Tannen, die leicht im Wind schaukelten. Im dünnen Nebel wirkten sie wie betrunkene Riesen. Die Gräber waren bis auf wenige Ausnahmen frisch geharkt und geschmückt mit ziemlich kompakt wirkenden Blumensträußen. Astern? Begonien? Hyazinthen? Chrysanthemen? Er hatte keine Ahnung. Windlichter flackerten schwach zu Füßen von asphaltgrauen oder teerschwarzen Grabsteinen, manche dezent gesprenkelt oder kontrastreich geädert, in jedem Fall dekorativ (wenn man so sagen durfte). Die Lichter kämpften tapfer gegen das Verlöschen an wie die armen Seelen.
    Â»Der Grabschmuck ist wegen Allerseelen natürlich. Oder wegen Allerheiligen«, erklärte ihm Kevin ungefragt. Er hatte Hufelands aufmerksame Blicke über die Gräber aufgefangen.
    Hufeland nickte schwach dazu. Er kannte sich nur zu gut aus mit katholischen Feiertagen. Als Junge war er sogar Messdiener gewesen. Bis sie ihn rausgeschmissen hatten, weil er in der Sakristei vom Messwein probiert hatte, den der Küster vergessen hatte einzuschließen. Das prickelnde Gefühl von Sünde und süßem Rausch waren das anschließende Gezeter des Küsters und den Ärger mit dem Pfarrer allemal wert gewesen.
    Kevin hatte sein Nicken falsch gedeutet und begann einen Vortrag über den Unterschied zwischen den beiden Festtagen, Allerseelen und Allerheiligen, während sie weiter über den unter ihren Schuhen knirschenden Kies auf den Tatort zu schritten. Kaum noch einen Steinwurf entfernt sah man links in einem kleinen Nebengang bereits die Techniker in ihren weißen Ganzkörperkondomen um ein Grab herumwuseln.
    Kevin wurde in seinem Feiertagsvortrag, der soeben den Tagesordnungspunkt Allerheiligen-Prozession streifte, durch einen Polizisten unterbrochen, der ihnen in der schicken dunkelblauen Wachdienstuniform auf dem Hauptweg entgegenkam.
    Er war schlank, etwa vierzig, hatte eine spitze, lange Nase, bewacht von eng stehenden, leicht schielenden schwarzen Augen. Sein langes braunes Nackenhaar lugte unter der weißen Schirmmütze hervor wie ein Otterschwanz.
    Â»Wagner, Polizeiobermeister in Vennebeck. Morgn, Herr Kommissar«, grüßte er mit hörbar aufgeräumter Stimme. Er streckte Hufeland die Otterpfote entgegen und schüttelte sehr herzlich Hufelands Hand, wie die eines lieben Gasts, den man immer schon mal auf seinem örtlichen Friedhof begrüßen wollte.
    Hufeland erwiderte den kräftigen Händedruck. Doch bevor er auch nur den Mund öffnen konnte, um sich vorzustellen, hörte er Kevin bereits sagen: »Das ist Kommissar Hufeland, Herr Wagner. Polizeipräsidium Münster, so wie ich. Mein Chef sozusagen im Moment.«
    Hauptkommissar, korrigierte Hufeland im Geist. Und wieso: sozusagen? Aber er schluckte den Kommentar hinunter. Man soll seine Mitarbeiter nicht öffentlich kritisieren, niemals (Handbuch für Mitarbeiterführung). Grundsätzlich hatte er die Regel immer gutgeheißen. Bei Kuczmanik jedoch war vielleicht mal eine Ausnahme angebracht, als letztes Mittel der Selbstverteidigung.
    Â»Erzählen Sie mal«, forderte er Wagner auf. »Was ist passiert?« Die Leiche würde nicht fortlaufen, außerdem hatte er
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