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Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle
Autoren: Herbert Beckmann
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Baum. Und sein Vater hatte ihm eine geflankt, als er die verbrannten Plätzchen seiner neuen Frau wieder herausgewürgt hatte. Vielen Dank auch. Nie wieder Aplerbeck. Dann doch lieber Münster, Herz-Jesu-Viertel und ein Mamasohn bleiben.
    Eine junge Pflegerin betrat den Raum. Ihre dunkelblonden Haare hatten helle Strähnen und waren kunstvoll zu einer Art Turmfrisur gedrechselt, die wie ein Bienenkorb ohne Eingang aussah. Abwechslung kann ganz einfach sein, dachte Hufeland.
    Â»Essen für Sie, Frau Hafeland! Morgen, Herr Hafeland!«, zwitscherte sie munter wie ein Spatz beim Vögeln. Gleich würde sie happi-happi sagen, dachte Hufeland.
    Er sagte ihr, wie seine Mutter richtig hieß.
    Sie dankte fröhlich, stellte das Tablett mit dem Essen ab und flatterte hinaus. »Bis später, Frau Hufeland. Tschüss, Herr Hafeland!«
    Â»Du mich auch«, knurrte Hufeland leise und dachte, wenn sie es nur oft genug wiederholte, würde er bald auch glauben, dass er Hafeland hieß und wie seine Mutter nach dem Heiland verlangen.
    In diesem Moment klingelte sein Telefon. Vielmehr summte es in seiner Jacketttasche wie eine sterbende Fliege.
    Es war Sabine von der Einsatzkoordination der Kriminalhauptstelle. »Einsatz in Vennebeck, Felix«, informierte sie ihn mit ihrer rauchigen Stimme in gewohntem Telegrammstil. »Toter Mann Anfang siebzig. Unklare Ursache, sieht nach Unfall aus, meint der Örtliche dort.«
    Â»Das ist nicht dein Ernst, Sabine.«
    Â»Na doch!«
    Â»Heute ist mein freier Tag, der erste seit Wochen. Ich füttere gerade meine Mutter im Pflegeheim.«
    Â»Tut mir leid. Alle anderen sind in der Stadt im Einsatz.«
    Seit der Reform der Kriminaldirektion war die Kripo Münster nicht mehr nur für die Stadtregion zuständig, sondern für den gesamten Regierungsbezirk. Im Westen bis zur holländischen Grenze.
    Und eine Bremslänge vor dem früheren Schlagbaum lag Vennebeck wie ein Blinddarm der Zivilisation. Hufeland kannte den Namen Vennebeck gut: Er war schon oft an der Ortschaft vorbeigefahren. Einmal hatte er sogar einen Abstecher hinein gemacht. Zum Tanken.
    Â»Was gibt’s denn?«, wollte Sabine wissen.
    Â»Wie? Was meinst du?«
    Â»Was gibt’s zu essen für deine Mutter?«
    Â»Ach so. Brei.« Er nahm den Deckel der weißen Porzellanschale ab. »Grießbrei. Gibt immer Brei. Nur die Farbe wechselt.« Mit Obst am Morgen trug der Brei Regenbogenfarben, mit Fleisch am Mittag sah der Brei bräunlich aus, mit Gemüse am Abend schimmerte er grünlich. In der Küche wurde immer alles mit allem verquirlt, mittlerweile hatte er es aufgegeben, dagegen zu protestieren. Denn das Personal wechselte ständig. Nur der Brei blieb immer gleich.
    Â»Wen habe ich dabei?«, erkundigte er sich, während er den Kinderlöffel in die freie Hand nahm und leicht über den Brei pustete.
    Â»Den Kevin Kuczmanik kriegst du«, antwortete Sabine. »Er ist schon auf dem Weg nach Vennebeck. Zusammen mit der Spurensicherung.«
    Der Brei war jetzt kühl genug, um ihn seiner Mutter anzubieten. Sie beugte sich vor und lutschte ihn vorsichtig zahnlos vom Löffel.
    Â»Der kleine Kuczmanik?«, sagte er. »Aber der ist doch noch …«
    Â»In Ausbildung, ich weiß«, schnitt ihm Sabine krächzend das Wort ab. »Aber wir sind absolut knapp, wie gesagt. Der Kevin ist bald fertig mit allem und übrigens ein Talent, du. Das sagen alle.«
    Â»Warum will ihn dann keiner?«, entgegnete Hufeland. Die Antwort darauf wusste er bereits. Kevin Kuczmanik war einfach eine Nervensäge. Der quatschte dich um den Verstand. Verbaldurchfall. Ein Talent darin, sich für jede Kleinigkeit am Tatort zu interessieren, nur nicht für die Hauptsache, das Opfer, die Spuren, mögliche Zeugen. Aber hatte nicht jeder eine neue Chance verdient? Nein, der kleine Kuczmanik eigentlich nicht.
    Â»Bin schon unterwegs«, seufzte Hufeland und drückte Sabine weg. Dann fütterte er in Ruhe weiter seine Mutter bis zum letzten Löffel. Happi-happi.
    Als sie fertig waren, fand er ihr Gebiss nicht. Sie hatte es bereits herausgenommen, bevor er gekommen war. Es kostete ihn eine geschlagene Viertelstunde, ehe er es fand. Es lag am Boden der Blumenvase mit dem Froschlaichwasser. Zusammen mit Resten der zerschnittenen Familienfotos, die bereits in Verwesung übergegangen waren. Es trieb ihm fast die Tränen in die Augen.

4
    Eine
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