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Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle
Autoren: Herbert Beckmann
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Feuers, das zunächst nur den noch ungenutzten Erweiterungsbau von Bruno Kocks Mastanlage erfasst hatte. Die Hähne in der angrenzenden Haupthalle ahnten jedoch bereits ihr Schicksal und krähten in den schrillsten Tönen dazu.
    Der Brandsatz war so effektiv gewesen – ähnlich der überambitionierten Sprengung in Niederungen vor einer Weile, als Bankräuber beim Versuch, den Geldautomaten zu knacken, gleich die ganze Sparkasse in die Luft jagten –, dass der noch vorhandenen Zwischenwand zum alten Hallengebäude auf zehn Metern Länge die Flanke aufgerissen wurde. Infolge einer Rauchgasverpuffung, wie später rekonstruiert wurde, schoss eine gewaltige Explosion das halbe Dach der Anlage in die sternklare Nacht hinaus.
    Die Flammen waren auf einmal überall, lachten böse über die vierzigtausend Vögel, die ihnen so unverhofft auf voller Länge der Mastanlage zum Fraß vorgeworfen wurden.
    Noch ehe der neue Betriebschef Bruno Kock die Feuerwehr alarmieren konnte, stand ein schwarzviolettes Rauchgeschwür über der Mastanlage, die Flammen loderten aus allen Löchern, Fenster und Türen waren zerplatzt, verbrannt oder hinausgeschossen worden – der Rote Hahn (das konnte man beinahe wörtlich nehmen) stand über dem Dach und drohte, auch auf das Wohnhaus, die weiße Villa, in die Kock junior erst vor wenigen Tagen eingezogen war, überzugreifen.
    Die Hähne schrien, die beißende Qualmsäule stand triumphal über dem brennenden Gebäudekomplex.
    Â»Corinna!«, brüllte Bruno Kock, als er zurück ins Haus stürzte. »Schnapp dir Maik! Wir müssen weg!«
    Als die Feuerwehr endlich über die vereisten, teils schneeverwehten Straßen mit einer Armada von Einsatzwägen und einer ganzen Hundertschaft am Brandort eintraf, war im Grunde schon nichts mehr zu retten: das Gebäude nicht und erst recht nicht die Hühner. Und immer noch leckten sich die Flammen das nimmersatte Maul, aus dem es nach hochätzenden Stoffen stank, nach verbranntem Holz, geschmolzenem Metall, nach versengten Federn und verbrutzeltem Fleisch, das sich buchstäblich in Luft aufgelöst hatte.
    Dann frischte der Westwind auf, wie er es schon mehrmals in dieser Nacht getan hatte, knickte die Qualmwolke in luftiger Höhe und trieb sie vor sich her. Mitten hinein in den teils noch schlafenden, teils verschreckt aufwachenden Ort. Dort kam er nieder, der Wind, und die gift- und huhnhaltige Wolke legte sich faulig auf Vennebecks Häuser, Straßen, Gärten, Autos, einfach auf alles. Sie drang in jede Ritze, die sich ihr bot, und würgte, wen sie zu fassen bekam.
    Ein klebriger, ölig glänzender Film lag am nächsten Morgen über allem, es stank nun nicht mehr faulig, sondern scharf wie ein Konzentrat aus den Zutaten einer Biowaffe (oder wie man sich derlei vorstellte).
    Der Temperaturanstieg im Laufe des Weihnachtstages und einsetzender, leichter Regen erlösten die Vennebecker von den Kampfstoffen aus Bruno Kocks verbrannter Hühnerfarm.
    Nicht wirklich.
    Denn er spülte die Stoffe – noch ehe die wackeren Gesundheitsbehörden Gelegenheit bekamen, sich zu Ende zu wundern, was eine simple Hühnermastanlage so alles freisetzen konnte –, in Kanalisation und Erdreich, wo sie in den folgenden Wochen und Monaten über das Grundwasser zu den Dorfbewohnern zurückfanden. Und das keineswegs in homöopathischen Dosen, sondern so, dass Durchfälle, Erbrechen, Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden und diffuse Befindlichkeitsstörungen bis hin zu leichten Ohnmachten an der Tagesordnung waren. Und blieben.
    Selbst denen, die bis dahin noch gewitzelt hatten, dass die in Luft aufgelösten Hühner die Antibiotika gegen die freigesetzten Keime ja gleich mitliefern würden, verging jetzt das Lachen.
    Lienen und seine Tierschutzgruppe gehörten zu den ersten Verdächtigen, die von der Polizei verhört und vorübergehend festgenommen wurden. Aus Mangel an Beweisen mussten alle Mitglieder der Gruppe wieder freigelassen werden. Silvester gingen ihre parkenden Autos in Flammen auf. Anzeigen gegen Unbekannt blieben ohne Ermittlungserfolge.
    Im darauffolgenden Frühjahr, als sich die Lage scheinbar wieder entspannte, nahm Bruno Kock, der mit Corinna (demnächst geschiedene Wagner) in der von den Flammen am Ende verschonten Villa glücklich hatte bleiben können, den Wiederaufbau der Mastanlage in Angriff.
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