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Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle
Autoren: Herbert Beckmann
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den Kaffee aus, der schon kalt geworden war, nachdem er ihn kaum angerührt hatte, dankte ihr für ihre (wenngleich späte) Offenheit und stand auf.
    Draußen vor der Haustür drehte er sich noch einmal zu ihr um. »Frau Spieker, hat Bruno eigentlich mit Ihnen auch über seine Kinder gesprochen?«
    Sie stutzte einen Augenblick, schien sich zu wundern, dass er davon anfing. Ȇber Maik hat er ab und zu gesprochen, ja.«
    Â»Und Jens?«
    Â»Nein.« Sie schüttelte leicht den Kopf. Ȇber Jens nicht. Ist ja auch verständlich, so, wie der Junge gestorben ist.«
    Â»Wie ist er denn gestorben?«
    Â»Im Grunde erstickt, denke ich. Er hatte doch Asthma.«
    Â»Asthma?«
    Â»Ja. Furchtbare Anfälle, hieß es damals.«
    In ihm blitzte das Bild eines sich unter Atemnot windenden Kleinkinds mit violettrotem Gesicht auf und erlosch wieder.
    Sie stand in der Haustür und sah ihn an. Ihr Gesicht schimmerte unwirklich im Zwielicht des späten Nachmittags. »Werde ich Schwierigkeiten bekommen?«, fragte sie.
    Â»Nicht von mir«, sagte er, wandte sich ab und ging. Besser so.

57
    Es war inzwischen fast dunkel geworden, graue Wolkenschleier trieben über Vennebeck hinweg, Fetzen davon schwebten wie Kragenreste um den Kirchturm herum. Zwei Fußgänger huschten eilig unter den vom Herbstwind gerupften Platanen dahin, die wie stolze Greise längs der Kopfseite des Friedhofs standen. Bei seinem ersten Besuch vor ein paar Tagen waren ihm die Bäume nicht aufgefallen. Ihm war so vieles nicht aufgefallen beim ersten Mal …
    Während er das eiserne Haupttor zum Friedhof aufstieß, rief er Kevin Kuczmanik an, der noch in der gleichen Sekunde abnahm.
    Â»Ja?«
    Â»Komm zum Friedhof, Kevin. Zu Fuß. Denselben Weg, den wir vorhin gegangen sind. Wir treffen uns am Tatort.«
    Â»Am Tatort?«
    Â»Herrje!« Manchmal war er wirklich schwer von Kapee. »An Kocks Grab, Kevin.«
    Â»Ach so, logo.«
    Eben.
    Â»Bin schon unterwegs!«
    Hufeland blieb an der Kreuzung zum ersten Quergang stehen und ließ die zunehmende Dunkelheit auf sich wirken: die ernsten grauen Schatten der Nadelbäume, die vagen, verhuschten Umrisse der letzten Besucher an Gräbern, auf denen wie Glühwürmchen die Lichter flackerten.
    Mit vorsichtigen kleinen Trippelschritten sah er die gekrümmte Gestalt einer alten Frau den Quergang herunterkommen, irgendein kleines Gartengerät in der Hand. Sie bog in einen Seitenweg ab und verschwand hinter einer Hecke.
    Er schritt den Weg entlang, den die Frau gekommen war, und erreichte an seinem Ende den Brunnen des Friedhofs. Er bestand aus einem klobigen eisernen Pumpenschwengel, wie auf einer Viehweide, und einem grob behauenen Sandsteinbecken, auf dessen breitem Rand verschiedene kleine Gartengeräte abgelegt waren, eine Schippe mit kurzem Griff, eine kleine Harke, eine Art Minirechen, ein kurzer, schmaler Spaten, ein Unkrautstecher. Alles zur freien Benutzung, wie Lanfermann, der Friedhofsgärtner, es Kuczmanik erklärt hatte.
    Hufeland nahm den Unkrautstecher in die Hand, er sah noch nagelneu aus, fast ungebraucht. Sein Vorgänger befand sich unter den Beweisstücken im Mordfall Kock.
    Er legte das Gerät mit einem gewissen Respekt zurück an seinen Platz auf dem Brunnenrand und ging den Weg zurück zum Hauptgang. An heimwärts eilenden grauen Gestalten vorbei näherte er sich nachdenklich wieder dem weiß schimmernden Doppelgrab der Kocks.
    Das schmale, sorgsam hergerichtete Grab des kleinen Jens gleich daneben kam ihm jetzt, da er wieder davor stand, wie ein Fremdkörper vor.
    Er musste nicht lange mehr warten, ehe von der Nordseite des Friedhofs her ein kleiner, rundlicher Schatten wie ein Kugelblitz auf ihn zuschoss.

58
    Dunkler, trüber, ernster und jetzt auch nebelfeuchter Ort. Fäulnis und Verwesung unter und über den Gräbern.
    Nachdem Hufeland den kleinen Kuczmanik über den Kern von Hanne Spiekers Aussage ins Bild gesetzt hatte, standen sie eine Weile schweigend nebeneinander vor den beiden ungleichen Ruhestätten der Kock-Familie.
    Â»Es war natürlich kein Zufall, dass es ihn hier getroffen hat«, sagte Hufeland endlich. »Genau an dieser Stelle.«
    Â»Nein«, sagte Kevin.
    Hufeland fühlte die Kälte zwischen den Beinen wieder zunehmen. Schon wieder Tablettenzeit? Nein. Er musste den Fall jetzt rasch zu Ende bringen, bevor es schlimmer wurde und er
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