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Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle
Autoren: Herbert Beckmann
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finden können. Vorausgesetzt, man wusste überhaupt davon. So wie Sie, Frau Kock«, wandte er sich plötzlich wieder an Vera Kock. »Hab ich recht?«
    Sie hatte aufgehört zu weinen, hob den Kopf, bis sie sehr aufrecht auf ihrem Stuhl saß, und blickte Hufeland mit tränennassem Gesicht an.
    Â»Sag nichts, Vera!«, zischelte Bruno Kock. »Sie bluffen. Sie können dir nichts beweisen.«
    Vera Kock ignorierte ihren Mann. »Es stimmt«, sagte sie mit leerem Blick. »Das Gerät lag auf dem Brunnenrand. Wie immer. Lanfermann hat ja immer dafür gesorgt, dass Geräte vorhanden waren, wenn mal jemand …«
    Sie brach ab und erzählte ihnen jetzt ihre Geschichte. Von Anfang an. Selbst Bruno Kock schwieg währenddessen und hörte ihr mit tief verstörtem Gesichtsausdruck zu.

60
    Als Vera Holten Bruno Kock kennenlernte, war ihr Sohn Jens anderthalb Jahre alt. Sie kam aus dem Ruhrgebiet, war Büroangestellte im Erziehungsurlaub und lebte vom Vater des Kindes, wegen dem sie aufs Land gezogen war, seit gut einem halben Jahr getrennt.
    Vera und Bruno verliebten sich ineinander, sie zog zu ihm nach Vennebeck, sie heirateten. Doch das Glück machte einen weiten Bogen um die kleine Familie. Bruno überwarf sich mit seinem Vater, der nach dem Sohn nun auch die Schwiegertochter ablehnte. Nach dem Tod seiner Frau hatte Wilhelm Kock neu geheiratet und kurz darauf die Hühnermastanlage gebaut.
    Die permanenten Streitereien mit dem Alten überschatteten ihren Familienalltag. Am schlimmsten für Vera aber waren die asthmatischen Anfälle ihres kleinen Jens: das hechelnde, rasselnde, pfeifende Atmen, die zyanotischen Lippen, spastischer Husten und eitriger Auswurf, die bleiche Haut und sogar Ohnmachtsanfälle des Jungen.
    Die Symptome waren schrecklich, nahmen zwischenzeitlich aber wieder ab. Doch mit zunehmender Dauer des Mastbetriebs wurden Jens’ Anfälle immer schlimmer.
    Â»Endotoxine. Bioaerosole. Wissen Sie, was das ist? Das sind Keime aus Hähnchenmastanlagen. Medizinisch nachgewiesen. In der Luft, im Boden, im Grundwasser. Überall in der Gegend. Die verfluchten Keime aus Wilhelms Mastbetrieb haben meinen Kleinen umgebracht.«
    Mit kaum vier Jahren starb Jens einen grausamen Erstickungstod durch einen Status asthmaticus, die schlimmste Form des Asthmaanfalls, der einen Tag und eine Nacht anhielt, ohne dass man den Jungen noch retten konnte.
    Â»Es war so grausam. Und noch während Jens’ Beerdigung habe ich mir geschworen, dass der Alte dafür bezahlen würde!«
    Daran änderte auch die Geburt von Maik nichts, der ein Jahr nach Jens’ Tod geboren wurde. Doch die Gelegenheit zur Rache an dem verhassten Schwiegervater kam jahrelang nicht.
    Â»Bis jetzt. Bis Allerseelen. Als er plötzlich vor mir stand. Wie ein Geschenk des Himmels.«
    Der in Vennebeck die Hölle ist, Abteilung Hühnerhölle.
    Schon Tage zuvor hatte sie nach einer Gelegenheit gesucht, sich um Jens’ Grab zu kümmern. Die Grabpflege war der letzte ihr verbliebene Liebesbeweis für ihren toten Sohn. Ihre Verwandtschaft lebte weit weg, und keinem anderen im Ort konnte oder mochte sie die Pflege für Jens’ Grab anvertrauen. Nicht mal Hanne Spieker, mit der sie sich ein wenig angefreundet hatte und die direkt neben dem Friedhof wohnte.
    Â»Es sollte schön aussehen zu Allerheiligen und Allerseelen.« Wenn die Besucher auch am Grab des kleinen Jens vorbeigingen, um ihrer eigenen Angehörigen zu gedenken.
    Doch der kleine Maik zahnte und kränkelte in diesen Tagen, er brauchte sie beinahe rund um die Uhr. Bruno machte dennoch keine Anstalten, sie zu entlasten. »Kinder sind Frauensache, meint er. – Also meine!« Sie sah ihn dabei nicht mal an.
    Kock junior hatte seine eigenen Frauensachen im Kopf. Sie wusste seit Langem, was los war. »Dass er’s mit Corinna trieb. Immer wenn sie zum Putzen in Osterkamps Golfhotel kam. Und dann auch noch Hanne Spieker. Ausgerechnet.«
    Sie ahnte jedoch nicht, dass er sie sogar an Allerseelen den ganzen Tag lang mit Maik zu Hause hängen lassen würde. »Die ganze Zeit unterwegs. Ich hätte es mir denken müssen.« Dabei hatte er ihr versprochen, spätestens am Nachmittag zurück zu sein und sich um Maik zu kümmern, damit sie schließlich doch noch frische Blumen und neue bunte Kerzen an Jens’ Grab bringen, notdürftig Unkraut ausstechen und die Erde harken
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