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Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Titel: Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia
Autoren: Martin Clauß
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    Mai 2002, Deutschland
    Der kleine beigefarbene Hyundai jagte mit quietschenden Reifen die kurvige Straße hinunter. Der Fahrerin, die alleine in dem nicht mehr ganz taufrischen Koreaner saß, war seit zehn Minuten kein Fahrzeug mehr entgegengekommen – was sie als eindeutige Aufforderung auffasste, im Renntempo durch den Wald zu düsen. Die rote Digitalanzeige hinter dem Lenkrad arbeitete sich auf zwei Uhr zu, und außerhalb der wild hin und her huschenden Lichtkegel der Scheinwerfer herrschte tiefe Finsternis. Mond und Sterne waren hinter einem Wolkenvorhang verborgen, und ein leichter Nieselregen hatte nasse Platten auf die Straße gelegt, wo immer die Bäume weniger dicht standen. Unter diesen Umständen war der Fahrstil der jungen Frau schon selbstmörderisch zu nennen.
    Doch Melanie fuhr die Strecke nicht zum ersten Mal. Sie war in der Gegend aufgewachsen und hatte die engen Kurven schon als Kind mit dem Fahrrad erkundet – nicht ohne das eine oder andere Mal vom Drahtesel abgeworfen zu werden. Auch jetzt schien sie wieder unter Beweis stellen zu wollen, dass Bremsen ein überflüssiger Luxus in Automobilen waren, in etwa gleichzusetzen mit automatischen Fensterhebern oder 20-fach-CD-Wechslern …
    Heute hatte das rothaarige Mädchen ohnehin einen besonderen Grund, die bergige Strecke durch den Wald in Rekordgeschwindigkeit zurückzulegen.
    Melanie Kufleitner war stocksauer. Wollte den Ort, an dem sie so bitter enttäuscht worden war, möglichst weit hinter sich bringen. Ihr eilends gefasster Plan für den Rest der Nacht bestand darin, in ihr Zimmer in Freudenstadt zurückzukehren, tief in die Falten ihrer Bettdecke zu kriechen und sich dort in den Schlaf zu heulen. Falls die Tränen nicht gleich kamen, würde sie irgendeinen dieser weinerlichen Popstars auflegen, die sich für göttlich hielten und nicht ertragen konnten, dass die Welt sie nur wundervoll fand. So etwas half immer.
    Vorerst hatte sie sich unter Kontrolle, was die Tränen anging. Das Adrenalin, das die halsbrecherische Fahrt in ihren Metabolismus pumpte, machte sie high. Sie packte das Lenkrad fest und genoss die Fliehkräfte, die an ihrem Auto zerrten. Sie glaubten wohl schon, es umwerfen zu können, bis Melanie es ihnen wieder entriss. Wozu setzten die Testfahrer ihr Leben bei Schleudertests aufs Spiel, wozu legten die Konstrukteure den Schwerpunkt so tief wie möglich? Sicher nicht, damit die Käufer der Autos später mit Schrittgeschwindigkeit durch den Berufsverkehr schlichen oder den Wagen vorsichtig in enge Parklücken einführten.
    Udo! Wie konnte jemand, der so blaue Augen hatte, ein solcher Idiot sein?
    Um die lächerlichen drei Buchstaben seines Namens zu vergessen, musste eine Nacht reichen. Mehr hatte er nicht verdient. Bis zum Frühstück hatte seine Erinnerung restlos aus ihrem Leben verschwunden zu sein.
    Wenn sie daran dachte, wie viele Jungs sie zu betatschen versucht hatten, als sie dreizehn gewesen war! Jetzt, wo sie alt genug und zu jeder Schandtat bereit war, traf sie nur noch auf Trottel wie Udo, für die Händchenhalten nicht vor dem zehnten Date in Frage kam. In was für einer Zeit lebten sie eigentlich?
    Hartnäckig war sie bei seiner Geburtstagsparty bis zuletzt geblieben, hatte alle anderen Gäste mit ihm verabschiedet, hatte sogar noch geduldig ausgeharrt, während er zum Ausklang der Feier mit seinem besten Kumpel auf der Playstation ein paar hundert Runden Gran Tourismo bretterte, hatte einsam und frustriert die aufgeweichten Chips- und Flipsreste aus den überall herumstehenden Schälchen gefuttert (von denen einige, dem Geschmack des Inhalts nach zu urteilen, wohl versehentlich oder mutwillig als Aschenbecher verwendet worden waren). Als Udos Freund schließlich auch die Fliege gemacht hatte, hatte sie ihren verführerischsten Ab-18-Blick aufgesetzt und mit leisem Schnurren und befeuchteten Lippen fast alle Knöpfe ihrer Bluse aufgeknöpft.
    Udo hatte ihr daraufhin in einem zwanzig Minuten währenden Gestammel beigebracht, dass er sie sehr gern hatte und dass es schön wäre, wenn sie einmal etwas zusammen unternehmen könnten. Als nächstes hatte sich Melanie vor ihm auf dem Boden geräkelt wie ein Hund, der gekrault werden wollte. Als das nicht anschlug, hatte sie sich wieder aufgerappelt und versucht, ihn auf den Mund zu küssen, doch er hatte sie von sich gedrückt und ihr erzählt, sie sei betrunken, und er als Gentleman könne die Situation nicht missbrauchen.
    Melanie hatte den ganzen Abend keinen
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