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Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Titel: Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia
Autoren: Martin Clauß
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verletzen. Aber es gab keinen anderen Weg ins Haus – der Anstand verlangte, dass er sich in dem kleinen, offenen Vorraum bemerkbar machte, ehe er eintrat, und sobald er das tat, kam das magere Geschöpf mit winzigen schnellen Schritten herangeschlurft, als hätte es ganz in der Nähe nur auf ihn gewartet. Die Frau warf sich vor ihm auf den Boden und spulte die Floskeln herunter, die so verletzend klangen, weil sie das genaue Gegenteil von dem meinte, was sie sagte.
    Wenn er in den Flur weiterging, kroch sie hinter ihm her, lautlos und lauernd, wie eine Ratte, die ihn gleich in die Waden beißen würde. Erst, wenn er die knarrende Treppe nach oben gegangen war, war er sie los. Dort oben begann das Reich ihres Gatten, und das mied sie, aus Stolz.
    Dr. Andô hatte nie mit Takase über die Gründe gesprochen, warum seine Frau seiner Arbeit mit solch unverhohlener Ablehnung begegnete. Vielleicht lag es am Inhalt der Arbeit, vielleicht hatte es auch persönliche Gründe. Viele japanische Frauen zogen es vor, Abstand zu ihren Männern zu halten. Es war ihre Art, Würde zu bewahren. Sie ließen sich herumkommandieren wie Sklaven, wenn es um die Hausarbeit ging, aber niemand konnte sie zwingen, sich für ihren Gatten, seine Hobbys oder seine Arbeit zu interessieren oder ein Interesse auch nur zu heucheln.
    In Takases Haus roch es wie immer nach Ozon. Die Geräte, die in seinen Zimmern liefen, erzeugten eine enorme Hitze, und im Obergeschoss staute sich für gewöhnlich eine stumpfe, drückende Schwüle, ganz gleich, welches Wetter draußen herrschte. Heute war es besonders intensiv, beinahe unerträglich. Eine beißende, chemische Schicht schien sich auf die Haut des Besuchers zu legen, als er die letzten Stufen erklomm. Ratternde Geräusche wie von mehreren Filmprojektoren begrüßten den Gast im ersten Stock.
    Weit hinter diesen Geräuschen, verloren, überdeckt und irgendwie einsam, konnte man die Stimmen zweier Männer heraushören – einer davon redete lethargisch und monoton mit schwerer Zunge. Der andere fuhr mit einer hohen, piepsenden Stimme in kurzen, abgehackten Sätzen aufgeregt dazwischen.
    Miura war also schon anwesend. Er hatte es wohl nicht erwarten können.
    Andô schob die Tür zu dem japanischen Zimmer auf. Man klopfte nicht an. Takases matter Blick traf ihn, und Miura, der eben noch geplappert hatte, verstummte und sah zur Seite. Zwischen ihm und Andô hatte es in den letzten Wochen so manchen Streit gegeben. Das jüngste Mitglied ihrer kleinen Gruppe war ihr beider Auftrag- und Geldgeber, ein Filmsammler, der ein enormes Vermögen von seinem kinderlosen Onkel geerbt hatte und sich nicht scheute, dieses für seine Steckenpferde auszugeben.
    Es war nur fraglich, ob man in diesem Fall noch von einem Steckenpferd reden konnte. Sie waren einer riesigen Sache auf der Spur – Takase, der Techniker, sprach sogar von der größten Entdeckung der Menschheitsgeschichte –, und bisher hatte Miura tatsächlich nur sie beide eingeweiht. Er hatte sie auf einer Party angesprochen und ihnen von dem unglaublichen Objekt berichtet, das ihm in die Hände gefallen war. Es war offensichtlich, dass es auf illegalen Wegen in seinen Besitz gekommen war, doch dieser Umstand wurde bedeutungslos angesichts der Brisanz dieses Gegenstands.
    Dr. Andô schob sich an dem Gerät vorbei, das aussah wie ein riesiges Mischpult und in dem mehrere Videobänder gleichzeitig zu laufen schienen. Eine lähmende Hitze ging von der Maschine aus, ein Entlüfter hauchte sie in den Raum wie den Odem eines Raubtiers. Der Psychiater setzte sich auf das Sitzkissen, den beiden Männern gegenüber.
    Vor Takase stand eine Whiskyflasche. Nur noch ein kläglicher Rest befand sich darin, und Takases Augen unter den faltigen, herabhängenden Lidern waren glasig. Andô sah auf die Uhr. Es war acht Uhr morgens. Miura trank wie immer Cola, und für Andô würde ein Wasser im Kühlschrank stehen. Er konnte sich einen Tee bringen lassen, aber lieber würde er durstig bleiben als Takases Frau um etwas zu bitten.
    „Was genau hast du vor?“, erkundigte sich der Psychiater, der nicht mehr praktizieren konnte, da man ihm die Lizenz entzogen hatte.
    „Ich wünschte, ich … ich könnte es dir … erklären …“ Die Worte schwappten träge über seine Lippen. Der Alkohol war schon immer Takases Problem gewesen. Er gehörte zu den Leuten, die behaupteten, nur gute Arbeit leisten zu können, wenn sie einen bestimmten Pegel erreicht hatten. Es war nicht Andôs
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