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Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh
Autoren: J.R. Bechtle
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eigentlich gefährlicher um diese Tageszeit als der Autoverkehr. Er atmet die kühle Morgenluft. Für Natur hat er nie viel übrig gehabt. Er ist ein Kopfmensch, der Kopf ist seine Waffe.
    Plötzlich fallen Schüsse. Theo van Gogh spürt einen Schmerz im Körper, weiß sofort, dass er getroffen wurde. Er fällt vom Rad, rafft sich auf und schaut verwirrt um sich. Warum hat es jemand auf mich abgesehen? In panischer Angst überquert er die Straße, bevor er zusammenbricht. Er sieht einen bärtigen jungen Mann, der sich über ihn beugt und eine Pistole auf ihn richtet. Ruhige, unbarmherzige Augen. Theo fleht um Gnade, aber aus nächster Nähe jagt der Mann einige Schüsse in ihn. Dann löst sich alles in warmes Gelb auf.
    Dass der Mann ihm mit dem Messer wie bei einer Ritualschlachtung die Kehle durchschneidet und ihn dabei fast köpft, nimmt er schon nicht mehr wahr.
    Augenzeugen berichten, dass der Täter, ein in Holland geborener Muslim marokkanischer Abstammung, seelenruhig einen Zettel mit einer an Hirsi Ali gerichteten Todesdrohung auf das Messer spießt und es in den unbeweglich auf der Straße liegenden Körper von Theo van Gogh rammt.

14.
    Früh am Vormittag ruft Peter an. Sabines Erinnerung nach war der Termin auf die Mittagszeit angesetzt. Vielleicht ist ihm langweilig, oder er möchte vor dem Ernstfall seine Gründe für die Zusammenführung der beiden Institute an ihr testen.
    »Gerade wurde Theo van Gogh ermordet!«
    »Theo van Gogh?«
    »Nicht der Bruder des Künstlers, sein Urenkel. Er wurde von einem arabischen Fanatiker vom Fahrrad geschossen, auf dem Weg zur Arbeit. Die Polizei hat den Mörder nach einem Schusswechsel gefasst.«
    »Und deine Besprechung?«
    »Die hatten plötzlich andere Sorgen beim Van-Gogh-Museum. Es soll einfach nicht sein!«
    In den Nachrichten und im Internet erfährt sie weitere Einzelheiten. Der Filmemacher Theo van Gogh prangert in seinem neuesten Film die Unterdrückung muslimischer Frauen durch den Islam an. Sabine denkt sofort an Ziba, die genauso in dieser Enge gefangen saß, aus der sie sich mit Hilfe Arthur Hellers befreien wollte. Dasselbe Thema, wegen dem sie sterben musste.
    Abends trifft sie sich mit Peter in einem thailändischen Restaurant in der Innenstadt.
    »Dieser van Gogh hat in Holland den Ruf eines scharfen und oft unangenehmen Intellektuellen. Ein wenig wie sein Vorfahre Vincent. Der eine endet im Wahnsinn, der andere wird hingemetzelt. Weil sie sich beide auf ihre Weise über die bestehenden Grenzen hinausgewagt haben. Natürlich ist das gefährlich. Irgendwo sind wir alle intolerant.«
    Sie schweigen bedrückt. Plötzlich streicht Sabine über Peters Hand, beugt sich zu ihm und küsst ihn.
    »Der Fluch der van Goghs. Wir sind die Einzigen, denen er Glück gebracht hat.«
    Der Verleger ruft einmal mehr in seiner aufgeregten Art an.
    »Mir liegt eine Anfrage aus Hollywood vor, wegen eines Films über Arthur Heller.«
    Die englische Übersetzung von Sarahs Paris hat auch in Amerika Aufsehen erregt. Die Verfilmung des Stoffes liegt auf der Hand, sie hatte im Stillen gehofft, einer der Großen in Hollywood würde das auch erkennen.
    »Wenn ich die Anfrage richtig verstehe, geht es denen nicht um Sarah , sondern um Arthur Heller. Ein Film über das verzweifelte Schriftstellerdasein in dem selbsterwählten Pariser Exil und sein Ende unter dem Einfluss van Goghs. Was halten Sie davon?«
    »Warum nicht Sarahs Paris ? Über Arthur Heller gibt es doch nichts, außer den Tagebüchern. Jemand müsste erst ein Drehbuch schreiben.«
    »Das wäre doch eine tolle Aufgabe für Sie! Lassen Sie sich den Vorschlag in Ruhe durch den Kopf gehen. Als Lektorin haben Sie sich ja zwischenzeitlich bewährt.«
    »Ich habe keine Ahnung, wie ein Drehbuch auszusehen hat. Ich bin Juristin!«
    Drehbuchautorin, tatsächlich reizt sie die Aufgabe, auch wenn sie sie im selben Moment mit maßlosem Schrecken erfüllt. Zaghaft begibt sie sich einen weiteren Schritt näher zu Arthur Heller. Jedenfalls lässt sie sich ihre Auszeit als Juristin vorerst auf unbefristete Zeit verlängern.
    Außerdem hat der Arzt ihre Schwangerschaft bestätigt. Sie, die nie Kinder haben wollte! Aber sie ist überglücklich. Der Arzt versichert ihr auch, dass sie keinesfalls zu alt dafür sei.
    Vor ihr liegt eine Zukunft, für die es sich zu leben lohnt. Ein zweites Leben. Ungeduldig wartet sie darauf, dass Peter nach Hause kommt.
    Wie er wohl auf ihre nächste Überraschung reagieren wird?

Mit Dank an Lynn Arison
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