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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis
Autoren: Juliet Hall
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Prolog
    E s klingelte an der Tür   – laut und ohne Unterbrechung.
    Noch halb im Traum setzte sich Ruby auf. Sie war in einem schummrigen Nachtclub gewesen und hatte Saxofon gespielt. Someone to Watch Over Me . Sie rieb sich die Augen.
    Es klingelte wieder. Noch nachdrücklicher.
    Ruby stöhnte, als ihr der Traum entglitt. »Okay, okay. Ich komme schon.« Sie blinzelte und stellte fest, dass es gerade erst dämmerte. Sie warf einen Blick auf das Leuchtzifferblatt der Uhr, die auf James’ Seite stand, und sah ihn dabei an: blond, unrasiert, die Arme ausgestreckt, als wolle er selbst im Schlaf sagen: Was zum Teufel muss ich tun, um dich glücklich zu machen?   – Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Sie hatte immer gehofft, dass es einfach von selbst passieren würde.
    Gestern Abend hatten sie sich schon wieder gestritten. Sie wusste nicht genau, worum es bei ihren Diskussionen eigentlich ging; sie wusste nur, dass sie das Gefühl hatte, als sei er in eine Richtung unterwegs, während sie sich mit Höchstgeschwindigkeit in eine andere entfernte. Sie lebten seit zwei Jahren zusammen. Die Frage war, wann sich ihre Wege endlich treffen würden.
    Und warum klingelte es um sechs Uhr morgens an der Tür? So früh kam nicht einmal der Postbote.
    Sie stolperte aus dem Bett. »James«, sagte sie, »wach auf. Da ist jemand an der Tür.«
    »Wer denn?«, murmelte er schlaftrunken.
    Wahnsinnig komisch. Ruby schnappte sich ihren Bademantel und zog ihn an. Bibbernd tappte sie den Flur entlang und fuhr sich durch das zerzauste Haar. Sie hätte das letzte Glas Wein gestern Abend nicht mehr trinken sollen. Sie hatte sich nach der Arbeit mit Jude auf einen Drink getroffen. Am Ende hatten sie die ganze Welt gerettet und dabei eine ganze Flasche geleert. Und als sie nach Hause gekommen war   …
    Vor der Tür standen zwei Personen. Durch das Glas konnte sie ihre Umrisse erkennen: ein Mann, eine etwas kleinere Frau. Sie sah ein verschwommenes kariertes Muster, etwas Dunkles. Wer klingelte um diese frühe Stunde bei anderen Leuten? Eine bange Vorahnung beschlich sie, und sie bekam weiche Knie.
    Sie öffnete die Tür.

1. Kapitel
    D as Haus sah noch genauso aus wie früher: roter Backstein, weiße Haustür, abgeblätterte Fensterrahmen. Ruby wechselte einen Blick mit Mel. »Danke fürs Fahren«, sagte sie. Hätte sie das auch allein geschafft? Sie dachte an James in London und die verschiedenen Richtungen, die sie einzuschlagen schienen. Ja, schon. Aber es wäre viel schwerer gewesen.
    »Ich setze dich doch nicht einfach nur hier ab«, erklärte Mel. »Ich komme mit rein und helfe dir.«
    »Helfen?«
    Aber Mel war bereits aus dem Auto gestiegen. Ruby folgte ihr.
    »Du brauchst aber nicht   …«, begann sie.
    »Red keinen Unsinn.« Mel öffnete das Gartentor und nahm Rubys Arm, während sie den Weg hinaufgingen. Der Rasen war seitdem nicht gemäht worden, und weil sich auch niemand um den Garten gekümmert hatte, wucherten die übrigen Pflanzen mittlerweile ebenfalls wild, und überall spross das Unkraut. Das geschah schnell.
    Aber Ruby spürte auf einmal eine große Erleichterung. Mel war ihre älteste Freundin und genau das, was sie jetzt brauchte. Sie war fünfunddreißig Jahre alt, aber in diesem Moment fühlte sie sich wie ein Kind. Sie drückte Mels Arm. Es war zwei Monate her. Jetzt war es an der Zeit, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und die ersten Schritte in ein Leben danach zu tun.
    An der Haustür schloss Ruby die Augen und sog den Duft des Jasmins ein, den ihre Mutter hier vor Jahren gepflanzt hatte. Der betörende Geruch der winzigen weißen Blüten umfing sie und schien sie voranzuschieben. Du kannst das .
    Sie steckte den Schlüssel ins Schloss und hörte im Geist die Stimme ihrer Mutter. Du musst ein bisschen daran ziehen und ruckeln. Die Tür öffnete sich widerstrebend.
    Mel blieb zurück; sie begriff, dass Ruby zuerst hineingehen musste. Ruby drückte die Schultern durch, trat über die Briefe und Wurfsendungen hinweg, die auf der Fußmatte gestrandet waren, und nahm zum ersten Mal, seit es passiert war, wieder den Geruch ihrer Eltern und ihres Zuhauses wahr.
    Natürlich war Ruby seit dem Unfall schon in Dorset gewesen. Zum Begräbnis ihrer Eltern war sie zusammen mit James aus London gekommen. Jetzt dachte sie seufzend an die gemeinsame Fahrt im Auto zurück und an James’ Gesichtsausdruck. Die Lippen ernst zusammengepresst, hatte er den Blick fest auf die Straße gerichtet und kaum einen Blick
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