Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh
Autoren: J.R. Bechtle
Vom Netzwerk:
sie lag neben der Toten.«
    Ziba hatte es in ihren Befürchtungen vorweggenommen: ein Ehrenmord, weil sie sich erst mit einem Ungläubigen eingelassen hat und dann den ihr zugewiesenen neuen Ehemann ablehnte. Und Ziba wusste, dass die Frau, die derart gegen die Gesetze verstößt, getötet werden muss.
    Im Eingang taucht ein anderer Polizist auf.
    »Crosnier, wir haben ihn!«
    »Damit klärt sich hoffentlich alles auf. Warten Sie hier auf mich!«
    Crosnier ist wie verwandelt, erwacht aus seiner Trägheit. Peter folgt ihm ins Haus, wahrscheinlich hat er seine Aufforderung, draußen zu bleiben, nicht verstanden. Nach kurzem Zögern kommen auch Dechaize und Sabine nach. Die Iraner vor dem Haus sind verstummt.
    Im Haus ist es kühl, die Räume mit vorgezogenen Vorhängen abgedunkelt. Auf dem Boden im Wohnzimmer ein mit einem Leintuch abgedeckter Körper, aber ohne anzuhalten folgen sie Crosnier durch einen langen schmalen Gang in ein weiter hinten gelegenes Schlafzimmer. Zwei Frauen liegen sich schluchzend in den Armen, umdrängt von kleinen Kindern. Überall ist Blut. Auf dem Teppich liegt ein blutverschmiertes Küchenmesser. Einer der Polizisten tritt vor sie hin.
    »Sie haben hier nichts zu suchen, machen Sie, dass Sie rauskommen!«
    Sabine und Dechaize wenden sich zum Ausgang, aber Peter bleibt einfach stehen. Crosnier versucht, die Frauen zu beruhigen.
    »Ziba war es, sie hat auf ihn gestochen!«
    Plötzlich ist es Sabine klar, warum Ziba nicht mit ihnen nach Paris kommen wollte. Erst musste sie Arthur Hellers Tod rächen. Als ihr Schwager zum Revolver gegriffen hat, hat sie ihn mit dem Küchenmesser angegriffen, bevor er sie erschossen hat. Tödlich verletzt ist er im Schlafzimmer verblutet.
    »Also bitte, gehen Sie, sofort!«
    Der Polizist drängt sie energisch aus dem Zimmer. Crosnier zuckt die Schultern, Vorschriften sind Vorschriften. Eine der Frauen blickt Sabine aus rotverweinten Augen an. An ihrer Hand, die sie schützend um die Kinder gelegt hat, fällt Sabine der Brillantring auf, den Ziba gestern noch getragen hat. Im Wohnzimmer bleibt Sabine vor Zibas Leichnam stehen. Sie stellt sich das Lächeln auf ihren Lippen vor, als Crosnier sie fand. Unter dem Leintuch ragt schmucklos eine fahlweiße Hand hervor. Dann stehen sie benommen vor dem Haus.
    »Sie hat ihn erstochen und danach hat sie Selbstmord begangen«, sagt Peter.
    Sabine ist nicht überzeugt. »Wenn es ihre Waffe gewesen wäre, hätte sie ihn doch nicht mit dem Küchenmesser erstochen. Der Revolver gehört ihm.«
    »Aber nachdem sie ihn erst mit dem Messer im Schlafzimmer schwer verletzt hatte, wäre er nicht mehr in der Lage gewesen, sie im Wohnzimmer zu erschießen und sich dann zurück ins Schlafzimmer zu begeben.«
    »Vielleicht hat er sie im Schlafzimmer angeschossen, und dann hat sie es noch ins Wohnzimmer geschafft.«
    »Aber den Revolver hat man neben ihr gefunden!«
    Schweigend gehen sie zum Van-Gogh-Haus. War Ziba in ihrem letzten Augenblick glücklich? Für einen Außenstehenden schwer zu beurteilen. Jedenfalls hatte sie sich zu dem verzweifelten Schritt entschlossen, mit Arthur Heller ihre Fesseln abzulegen. Am Ende läuft es auf eine Frage des Timings hinaus, und ihr Timing war denkbar schlecht.
    Auf eine seltsame Weise ist Sabine von Zibas Schicksal ungleich mehr betroffen als vom Tod ihres Onkels. Ziba, die sie gestern noch umarmt, deren Duft geatmet und deren zitternden Körper sie gespürt hatte.
    In der Gaststube warten sie auf Crosnier.
    »Manchmal zeigen sich einem die Dinge von außen klarer, als wenn man mittendrin steckt. Ich glaube, Ziba hatte erwartet, dass mit dem Tod Arthur Hellers die Ehre ihres Schwagers wiederhergestellt war. Oder sie hat gewusst, dass seine Rache niemals ruhen würde und hat absichtlich dieses Schicksal gesucht«, sagt Gérard Dechaize.
    Die Zeit schleicht. Ob Crosnier sie vergessen hat? Er hatte versprochen, mit den neuesten Erkenntnissen noch zu ihnen zu kommen.
    »Eine Tote unmittelbar vor dir, jemand, mit dem du gerade noch gesprochen hast, auch wenn es eine Fremde war, das kann man nicht so einfach abschütteln«, sagt Peter.
    »Ich bin sicher, dieses Erlebnis wird Spuren hinterlassen«, antwortet Sabine langsam und lehnt sich erschöpft an Peters Schulter.
    »Eine Erfahrung, wie ich sie damals nach meinem Unfall hier auch gemacht habe«, sagt Gérard Dechaize. »Aber es geht weiter, manchmal besser als zuvor, ich bereue nicht, wie sich mein Leben verändert hat.«
    Sabine reagiert achselzuckend,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher