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Hotel van Gogh

Hotel van Gogh

Titel: Hotel van Gogh
Autoren: J.R. Bechtle
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hat?
    In Theos Nachlass stößt sie auf die Beschreibung, wie Vincent in seinen Armen gestorben ist und dann auf dem kleinen Friedhof in Auvers begraben wurde. Als Selbstmörder abseits für sich. Einsam wie im Leben. Plötzlich erkennt sie, dass ihre Aufgabe unvollendet bleibt, solange die Brüder nicht auch im Tod vereint sind. Sie spielt erst mit dem Gedanken einer Überführung Vincents in das Familiengrab der van Goghs in Holland, aber eigentlich kommt nur Auvers in Betracht.
    Allerdings, wie transportiert man die sterblichen Überreste von einem Land ins andere, über die Grenze, nach all den Jahren? Einfach die Gebeine ins Reisegepäck einpacken?
    Den besten Vorsätzen stellen sich unerwartete Hindernisse entgegen. Sie folgt den offiziellen Kanälen, eine langwierige und umständliche Prozedur, scheinbar endlos gehen Anträge zwischen Holland und Frankreich hin und her, als wisse niemand so richtig, wie das abzulaufen habe, und jedes Amt hat seine eigenen Vorstellungen. Aber sie gibt nicht auf. Es vergehen Monate, bis allem Genüge getan ist.
    In Auvers bietet man ihr für den berühmten Maler und seinen Bruder eine neue Grabstätte in bester Friedhofslage an. Aber sie besteht auf dem kleinen Grab an der Mauer, jetzt erst recht, nach all der Verachtung, die Vincent zu Lebzeiten über sich ergehen lassen musste.
    Damit ist ihre Pflicht erfüllt. Alles andere läuft mittlerweile wie von selbst. Bei Vincents weltweit wachsendem Ruhm häufen sich die Anfragen nach Material für Ausstellungen, nach Informationen über sein Leben und das Interesse an Käufen. Paul Cassirer bietet an, die Briefe ins Deutsche zu übersetzen. Die englische Übersetzung behält sie sich selbst vor, um so den Brüdern auch für die kommenden Jahre verbunden zu bleiben.
    Und wie wird es nach mir weitergehen?, fragt sie sich oft.
    Vincent Willem hat für Kunst nichts übrig, obwohl er sein Leben lang von Kunst umgeben war. Er ist mit Leidenschaft Ingenieur und blickt eher argwöhnisch auf die Künstler. Praktisch veranlagt und in sich gefestigt, der absolute Gegensatz zu seinem Vater und erst recht zu seinem Onkel. Wenn er sich nur endlich verheiraten und Kinder haben würde!
    Allerdings wird es in Zukunft eher auf die sachliche Verwaltung ankommen. Zum richtigen Zeitpunkt wäre Vincent Willem damit genau ihr geeigneter Nachfolger. Nur dass sie nicht wagt, im Blick auf die van Gogh’sche Krankheit langfristig zu planen.
    Aber das Werk steht. Unser Werk! Niemand hatte ihr das zugetraut. Auch sie hat oft bezweifelt, als Frau dazu in der Lage zu sein. Doch während sich die Welt im Umsturz befand, hat sich auch nach und nach die Rolle der Frau verändert. Außerdem war sie nicht allein: Theo und Vincent standen immer hinter ihr.
    Ob man auch sie eines Tages zusammen mit ihnen in Auvers ruhen lässt?

12.
    Samstagnachmittags kommen Sabine und Peter in Frankfurt an. Ursprünglich wollten sie bis Sonntag auf Sylt bleiben, aber Sylt wurde zu Paris und Auvers, und jetzt ist Sabine dankbar für diesen freien Sonntag zu Hause. Abstand von dieser Woche Frankreich gewinnen.
    »Das war schon einmalig, dieser Abstecher nach Paris! Trotzdem schuldest du mir noch ein paar Tage Sylt!«
    Peter verabschiedet sie vor ihrem Wohnhaus und fährt mit dem Taxi zu seiner Wohnung weiter. Irgendwann muss er sich um sein Auto am Flughafen in Hamburg kümmern. Sie nimmt den Aufzug zu ihrem Apartment. Der vertraute Duft ihrer Wohnung. Endlich wieder Herrin ihres Lebens!
    Sie geht durch jedes Zimmer, wie um sie einzeln in Besitz zu nehmen, öffnet Fenster und die Tür zur Veranda, lässt Sonne und frische Luft in die Wohnung. Als Hintergrundmusik legt sie ein Klavierkonzert auf. In der Küche hat ihre Haushaltshilfe die Post auf den Tisch gelegt. Irgendwann bemerkt sie, dass sie wohl schon eine Zeitlang einfach aus dem Fenster in die Leere hinausstarrt.
    Bist du glücklich? Als käme sie nicht von Arthur Heller los, ohne den sie sich niemals diese Frage gestellt hätte. Natürlich, dieses Leben, genau wie ich es gewollt habe. Was ich erreicht habe, verdanke ich allein mir. Ich bin niemandem etwas schuldig. Warum sollte ich da nicht glücklich sein?
    Anders als Arthur Heller, der erst im zweiten Anlauf meinte, zu seiner Berufung gefunden zu haben. Wenn er es vielleicht anfänglich nicht ahnte, musste er dennoch bald festgestellt haben, dass er sich auf ein ziemliches Wagnis eingelassen hatte. Ein langer steiniger Weg, um dann, so kurz vor dem Ziel, abzustürzen.
    Aber
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