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Honigsüßer Tod

Honigsüßer Tod

Titel: Honigsüßer Tod
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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links. »Das ist meine Tochter
Martina.« Kopfdrehen. »Martina, das ist Carolin.«
    Während Carolin kundtat, dass sie sich freue, ignorierte Martina die
Lehrerin und sagte nur: »Frau, nicht Ex-Frau. Mami ist die Frau von Papa.« Dann
wandte sie sich an Klaus: »Danke für den Platz.«
    »Wo ist Maxi?«, fragte Hummel mit bösen Vorahnungen, was den
weiteren Verlauf des Abends betraf.
    »Bei Didi. Sind ja nicht alle Väter so verantwortungslos.«
    Rumms, das saß. Riesle grinste. Carolin fühlte sich ähnlich unwohl
wie Hubertus, oder vielleicht etwas weniger, weil Hummel die Sturheit seiner
Tochter besser kannte. Und die Sommersprossen, die gerade in der Dämmerung
gefährlich aufleuchteten.
    »Wie fühlen Sie sich so?«, fragte sie Carolin giftig.
    Die überlegte. »Gut«, wäre wohl die falsche Antwort gewesen.
»Schlecht«, traf es aber auch nicht. Also schwieg sie.
    Der Oberbürgermeister der Doppelstadt rückte sich die runde Brille
zurecht. Er war ein ausgewiesener Kulturfreund und wollte es sich nicht nehmen
lassen, den »Regenbogentraum« selbst anzukündigen. Das Bühnenbild erschien ihm
etwas schlicht, wie er da so hinter dem Vorhang stand. Auch die Schauspieler
hielten sich noch verborgen.
    »Meine Damen und Herren, liebe Kulturfreundinnen und -freunde.
Willkommen in Villingen-Schwenningen, willkommen auf der Landesgartenschau.«
Mit diesen Worten trat er vor das Publikum. »Diese bringt uns eine wunderbare
Vielfalt. Natur, Bildung, Sport – und nicht zuletzt auch Kultur. Ich freue mich
ungeheuer auf die nun folgende Vorführung. Angelehnt an Shakespeares
›Sommernachtstraum‹ hat unser Impresario eine ganz besondere
Komödien-Inszenierung geschaffen – und eine aufklärerische, Toleranz
einklagende dazu. Freuen Sie sich mit mir auf Edelbert Burgbacher und sein
Ensemble des Zähringer-Theaters.«
    Großer Beifall. Auch wenn den angekündigten »Regenbogentraum« nur
die wenigsten kannten. Bei einer Komödie riskierte man schließlich nichts.
Einfach unbeschwert entspannen, sehen und gesehen werden.
    Edelbert Burgbacher schlurfte auf die Bühne. Allein. Weiß geschminkt
inklusive der Glatze, die Augen schwarz umrandet, mit einem Bündel Papieren in
der Hand. »Das Ensemble bin ich«, verkündete er düster. Und: »Programmänderung
aus aktuellem Anlass. Ich lese Joan Didion: ›Das Jahr magischen Denkens‹. Ein
Stück über Verlust.«
    Im Publikum herrschte Ratlosigkeit. Der eine oder andere
spekulierte, es sei möglicherweise Teil der Komödie, die Zuschauer auf eine
falsche Fährte zu locken. Diesem Burgbacher war so etwas durchaus zuzutrauen.
    »Wie fühlt man sich so, wenn man einer Frau und Mutter den Mann
    wegnimmt?«, wollte Martina derweil in Reihe 2
beharrlich von Carolin wissen. Der zwischen beiden sitzende Hummel wurde
ignoriert.
    »Liebe Martina«, setzte Carolin freundlich an. »Wegnehmen trifft es
sicher nicht …«
    »Ja, ja«, meinte Martina. »Natürlich gehört auch die Dummheit des
Mannes dazu. Und in Ihrem Fall …«
    »Könnten die Damen hier vorne ihr Schwätzchen vielleicht woanders
halten?«, dröhnte es von der Bühne. Da verstummte selbst Martina.
    Burgbacher setzte seinen Monolog fort. Die zwei Tage nach der
Kündigung seines Reserve-Ensembles hatten bei Weitem nicht mehr ausgereicht, um
das »Jahr magischen Denkens« auswendig zu lernen. Es musste aber eben
gezwungenermaßen ein Solo-Stück sein – und dieses entsprach auch am ehesten
seinem Gemütszustand.
    »Man setzt sich zum Abendessen, und das Leben, das man kennt, hört
auf. Eine Frage des Selbstmitleids«, deklamierte er mit Blick auf das
Manuskript. Der Beleuchter hatte es einfach: Scheinwerfer auf Burgbacher, zumal
der sich kaum bewegte.
    Schmerz, Tod, Fassungslosigkeit, Abschied – das waren in etwa genau
die Themen, die an diesem Abend vom Publikum nicht gewollt waren. Drei, vier
Minuten lang bekam Burgbacher die gewünschte Aufmerksamkeit. Zumindest war es
sehr, sehr leise.
    Allmählich aber wurden die ersten ungeduldig und begannen auf ihren
Stühlen hin und her zu rutschten. So wie Hubertus Hummel. Er verfluchte Klaus,
der Martina den Platz neben ihm reserviert hatte. Wahrscheinlich war das ein
abgekartetes Spiel gewesen, um Carolin zu brüskieren. Hummel kannte seine
Tochter gut genug, um zu wissen, dass das Parallel-Schauspiel in Reihe 2 noch nicht vorbei war.
    Ein paar Zuschauer standen auf. Leise schwärmten sie aus in das
weitläufige Gelände. Zunächst guckte Burgbacher nur strafend, bei den
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