Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Honigsüßer Tod

Honigsüßer Tod

Titel: Honigsüßer Tod
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
Vom Netzwerk:
er
möglicherweise ohne viel Sonne im Gefängnis verbringen müssen. Thomsen merkte,
wie ihn dieser Mann beschäftigte. Vielleicht etwas zu sehr.
    Er beschloss, heute zur Feier des Tages mal das Gespräch mit
Winterhalter zu suchen. »Sagen Sie, wie haben Sie uns denn eigentlich
gefunden?«
    Winterhalter schmunzelte. Es hatte wirklich Spaß gemacht, diesen
selbstgerechten Lucidus zu überwältigen. »Bedanken Sie sich bei Frau Bergmann«,
sagte er. »Die hat nämlich um halb zehn angerufen und wollte unbedingt mit
Ihnen sprechen.«
    Das war eine eher verharmlosende Umschreibung. Die Polizeichefin
hatte sich erbost gezeigt, dass Thomsen wieder einmal nicht erreichbar gewesen war,
hatte gemutmaßt, dieser sei sicher wieder eigenmächtig unterwegs, anstatt
seiner Pflicht als Leiter der Sonderkommission nachzukommen.
    »Und dann sagte sie, wenn ich Sie nicht innerhalb von einer Stunde
herbeischaffe, würden Sie sie kennenlernen. Ich sollte Sie suchen. Über Handy
waren Sie ja nicht zu erreichen.«
    »Und dann?« Diese Bergmann … Aber jetzt konnte sie sich eigentlich
nicht mehr beschweren.
    »Dann bin ich in Ihren Laptop reingegangen. Ich wusste ja, dass das
Kennwort ›Matjes‹ ist …«
    Thomsen grollte. Aha, so etwas wusste der Kollege also. Der
Norddeutsche beschloss, künftig noch vorsichtiger zu sein. Man konnte eben
keinem trauen. Nicht einmal einem, der ihm das Leben gerettet hatte.
    »Da habe ich gesehen, dass Sie dem Brändle auf der Spur sind. Also
bin ich zu dem Hof gefahren, hab mich umgeschaut und dann bald die kleine
Kapelle entdeckt.«
    Thomsen überlegte, ob er den Kollegen dafür rügen sollte, dass er in
seinen Sachen herumgeschnüffelt hatte. Auf jeden Fall würde vor der nächsten
Benutzung des Laptops noch mehr Sagrotan zum Einsatz kommen. Und ein neues
Kennwort. Aber heute wollte er mal nicht so sein. Er setzte wieder eine
freundlichere Miene auf.
    Winterhalters Handy klingelte. »Was?«, hörte Thomsen ihn sagen.
»Zäher Schleim?« Und: »Gut: Mir sehet uns.«
    »Mei’ Frau«, sagte Winterhalter nach dem Auflegen erklärend.
    »Ist sie erkältet?«, fragte Thomsen höflich.
    Winterhalter antwortete nicht und beschleunigte den Wagen durch die
Kurven.
    »Ich kenne mich ja nicht so gut aus wie Sie, Kollege«, meinte
Thomsen nach ein paar Minuten zögerlich. »Aber wieso fahren wir jetzt von Sankt
Georgen aus in Richtung Furtwangen?« Winterhalter grummelte etwas von »Haben ja
noch Zeit« und »schöne Strecke«. Dafür gab er allerdings ordentlich Gas.
    Bei Vöhrenbach dämmerte dem bis dahin noch einmal im Geiste den Fall
rekapitulierenden Thomsen endgültig, wohin die Fahrt ging. »Wir fahren zu Ihrem
Bauernhof! Warum?«
    Jetzt, kurz vor Linach, rückte Winterhalter endlich mit der Sprache
heraus. Und mit jedem Kilometer näher am heimischen Hof wurde auch seine
Dialektfärbung stärker. »Die Hilde! Mei’ Lieblingskuh! Es geht endlich los mit
de’ Kalbung!« Er erwähnte eingefallene Beckenbänder, die große Unruhe des
Tieres und Eröffnungswehen, die kurz bevorstanden.
    In Zusammenhang mit Winterhalters Fahrstil brachte das Thomsen
wieder völlig aus dem Konzept. Er wusste nicht, wie lange eine Kalbung dauerte.
Er wusste nur, dass Frau Bergmann kein Verständnis dafür haben würde, wenn sie
auch nur eine Minute zu spät kamen – und wenn sie wegen einer Kalbung die
Fernseh-Nation warten lassen musste.
    Thomsen überlegte, ab wann so eine Soko-Leitung endete. Mit dem
aufgeklärten Fall? Mit dem unterschriebenen Protokoll? Mit anderen Worten: War
er gegenüber Winterhalter in diesem Moment noch weisungsbefugt? »Fahren Sie
sofort in die Dienststelle«, versuchte er es. »Wir haben noch 45 Minuten bis zum Termin mit Frau Bergmann!«
    »Mache’ Sie sich keine Sorge’«, gab Winterhalter zurück. »Die
Abkalbebox hat mei’ Frau scho’ sauberg’macht und mit frischem Stroh
ei’g’streut. Und die Fruchtblase vo’ de’ Hilde hat sie au’ scho’ fast g’sehe’.
Des geht jetzt ruckzuck.«
    Sie kamen gerade rechtzeitig zu den Presswehen. Thomsen zog es vor,
im Auto zu bleiben und hätte den Wagen wohl geklaut, wenn Winterhalter nicht
den Schlüssel abgezogen hätte. Der schlüpfte in seinen blauen Overall und eilte
in den Stall, wo seine Frau der Hilde schon gut zuredete. Nach der dritten
Presswehe tauchte der mittlerweile völlig aufgelöste Thomsen an der Stalltür
auf. Weiter hinein traute er sich nicht. »Spätestens jetzt müssen wir
losfahren, wenn wir es noch schaffen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher