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Höllenflut

Höllenflut

Titel: Höllenflut
Autoren: Clive Cussler
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Untergang hätte bemerken können, und ein Notruf war auch
nicht abgesetzt worden. Gallagher und Katie sahen voller
Grauen zu, wie sich der Bug immer höher aufrichtete, als ob er
dem Sturmwind drohen wollte. Fast eine Minute lang stand das
Schiff, das mit seinen eisverkrusteten Aufbauten wie eine
Erscheinung wirkte, steil aufragend da. Dann ergab es sich in
sein Schicksal und versank in den schwarzen Fluten. Die Princess Dou Wan war untergegangen.
»Dahin«, murmelte Hui, dessen Worte im Wind verwehten.
»Alles dahin.« Fassungslos starrte er auf die See, in der das
Schiff verschwunden war.
»Kuschelt euch zusammen und haltet euch gegenseitig
warm«, befahl Gallagher. »Wenn wir bis morgen früh
durchhalten, fischt uns vielleicht jemand auf.«
Im nächsten Moment wurde das Floß mitsamt seiner
bedauernswerten Besatzung vom erbarmungslosen Sturm
davongerissen und verschwand in der eiskalten einsamen Nacht.
    In der Morgendämmerung hämmerten die tückischen Wogen
noch immer an das kleine Floß. Der Himmel war jetzt
gespenstisch grau und mit dunklen Wolken bedeckt. Der dichte
Flockenwirbel war in einen eisigen Schneeregen übergegangen.
Der Wind hatte gottlob deutlich nachgelassen, und die Wellen
wogten nur mehr drei Meter hoch. Das Floß war zwar fest und
stabil, doch es verfügte über keinerlei Notfallausrüstung. Bis
Rettung nahte, waren die Insassen allein auf ihre innere Kraft
angewiesen.
    Dank der vielen Kleiderschichten überstanden Gallagher und
Katie die Nacht halbwegs. Aber General Hui, der nur seine
Uniform trug und nicht einmal einen Mantel übergezogen hatte,
erfror langsam. Der beißende Wind schnitt wie tausend Nadeln
durch das dünne Tuch. Seine Haare waren mit Eis überkrustet.
Gallagher hatte seine schwere Seemannsjacke ausgezogen und
sie Hui gegeben, aber Katie wurde rasch klar, daß der alte Soldat
bald sein Leben aushauchen würde.
    Das Floß wurde über die Wellenkämme geschleudert und von
der Wucht der Wogen herumgewirbelt. Unwahrscheinlich, daß
es dem Toben der Elemente noch lange standhalten konnte.
Doch ein ums andere Mal überstand es die hereinbrechenden
Sturzseen, richtete sich wieder auf und trotzte auch dem
nächsten Brecher, ohne daß die armen Insassen in die kalten
Fluten geworfen wurden.
    Gallagher kniete sich von Zeit zu Zeit auf, wenn das Floß auf
einen Wellenkamm hochgerissen wurde, und ließ den Blick über
die aufgewühlten Fluten schweifen, bevor es in den nächsten
Strudel hinabstürzte. Es war vergeblich. Weit und breit war
keine Menschenseele. Die ganze schreckliche Nacht hindurch
sahen sie nicht ein einziges Licht von einem anderen Schiff.
    »Irgendwo muß doch ein Schiff in der Nähe sein«, sagte Katie
zähneklappernd, Gallagher schüttelte den Kopf. »Die See ist so
leer wie das Sparschwein von 'nem armen Waisenkind.« Er
verriet ihr nicht, daß man kaum fünfzig Meter weit sehen
konnte.
    »Ich werde mir nie verzeihen, daß ich Fritz im Stich gelassen
habe«, flüsterte Katie unter Tränen, die in kürzester Zeit auf
ihren Wangen zu Eis gefroren, »Meine Schuld«, tröstete
Gallagher sie. »Ich hätt' ihn mir schnappen sollen, als wir aus
der Kabine gerannt sind.«
»Fritz?« erkundigte sich Hui.
»Mein kleiner Dackel«, erwiderte Katie.
»Sie haben einen Hund verloren.« Er setzte sich ruckartig auf.
    »Sie haben einen Hund verloren?« wiederholte er. »Ich habe
Herz und Seele meines Landes verloren -« Er stockte und bekam
einen Hustenanfall. Seine Miene wirkte gepeinigt, der Blick
verzweifelt. Er sah aus, als hätte sein Leben jeglichen Sinn
verloren. »Ich habe meine Aufgabe nicht erfüllt. Mir bleibt nur
der Tod.«
    »Seien Sie doch nicht blöd, Mann«, versetzte Gallagher. »Wir
kommen durch. Sie müssen nur noch eine Weile aushalten.«
Hui hörte ihn nicht mehr. Er schien aufgegeben zu haben.
Katie warf einen Blick auf die Augen des Generals. Es war, als
hätten sie jegliche Leuchtkraft verloren. Sie wirkten mit
einemmal glasig, blicklos.
»Ich glaube, er ist tot«, murmelte Katie.
Gallagher überzeugte sich kurz davon. »Schieb ihn ein Stück
rüber und benutz ihn als Schutzschild gegen den Wind und die
Gischt. Ich leg' mich auf die andere Seite.«
Es kam ihr zunächst grausig vor, aber Katie stellte fest, daß
sie Huis erstarrenden Leichnam durch die dicke Kleidung kaum
spürte. Der Verlust ihres treuen kleinen Hundes, das sinkende
Schiff, der wahnwitzige Wind und die tobende See - all das kam
ihr auf einmal
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