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Höllenflut

Höllenflut

Titel: Höllenflut
Autoren: Clive Cussler
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Wolkendecke war
aufgerissen, die Wolken färbten sich bereits wieder weiß. Der
Sturm legte sich allmählich: Er spürte schon, wie die heftigen
Windböen zu einer sanfteren Brise abflauten. Viel Zeit hatte er
nicht. Wenn er nicht bald eine warme Bleibe fand, würde er sie
verlieren.
Gallagher holte tief Luft, schob die Arme unter Katies Körper
und hob sie hoch. Aus lauter Wut versetzte er dem Floß einen
Tritt, so daß es mitsamt General Huis steifgefrorenem Leichnam
zurück in die See befördert wurde. Er sah einen Moment lang
zu, wie die Strömung das Floß erfaßte und es hinaus ins tiefe
Wasser zog- Dann drückte er Katie an seine Brust und torkelte
auf die Hütte unter den Bäumen zu. Es kam ihm vor, als werde
die Luft allmählich wärmer, als fiele jede Müdigkeit und
Verkrampfung von ihm ab.
    Drei Tage später meldete der Frachter Stephen Miller, daß
man ein Rettungsfloß gesichtet und eine Leiche geborgen habe.
Der Tote, offenbar ein Chinese, habe ausgesehen, wie aus Eis
gemeißelt. Niemand konnte ihn identifizieren. Auf dem
Rettungsfloß, einem altmodischen Bautyp, wie er seit zwanzig
Jahren nicht mehr in Gebrauch war, standen chinesische
Buchstaben. Später stellte man fest, daß es von einem Schiff
namens Princess Dou Wan stammte.
    Bei einer Suchaktion fand man zwar allerlei Treibgut, das
indes nicht geborgen wurde. Aber man stieß auf keinerlei
Ölteppich. Kein Schiff wurde als verschollen gemeldet.
Niemand, weder an Land noch auf See, hatte einen Notruf
aufgefangen. Allerdings mußten die Seenotrettungsdienste
später einräumen, daß sie wegen des dichten Schneetreibens so
gut wie gar nichts hatten empfangen können.
    Die Sache wurde noch rätselhafter, als man erfuhr, daß ein
Schiff namens Princess Dou Wan angeblich einen Monat zuvor
vor der chilenischen Küste gesunken war. Der Tote, den man in
dem Rettungsfloß gefunden hatte, wurde bestattet, und der
Vorfall geriet binnen kurzer Zeit in Vergessenheit.
ERSTER TEIL
Das mörderische Gewässer
14. April 2000
Pazifischer Ozean, vor der Küste von Washington
1
    Langsam, so als kämpfe sie sich aus einer bodenlosen Grube
frei, kam Ling Tai wieder zu Bewußtsein. Ihr ganzer Oberkörper
tat weh. Sie stöhnte mit zusammengebissenen Zähnen, hätte am
liebsten vor Schmerz laut aufgeschrien. Sie hob die Hand, die
übel zugerichtet war, und strich sich mit den Fingerspitzen
vorsichtig über das Gesicht. Eins ihrer kaffeebraunen Augen war
ganz zugeschwollen, das andere bekam sie wenigstens ein Stück
weit auf. Die Nase war gebrochen und blutete noch immer. Gott
sei Dank hatte sie, soweit sie spüren konnte, noch sämtliche
Zähne, aber Arme und Schulter verfärbten sich allmählich grün
und blau. Sie wollte gar nicht wissen, wo sie überall Blutergüsse
hatte.
    Ling Tai wußte zuerst nicht genau, warum man ausgerechnet
sie zum Verhör ausgewählt hatte. Die Erklärung kam erst später,
kurz bevor sie brutal zusammengeschlagen worden war.
Selbstverständlich hatte man unter den zahllosen illegalen
chinesischen Einwanderern, die sich an Bord des Schiffes
befanden, auch noch andere Opfer ausgesucht, hatte sie
mißhandelt und anschließend in ein dunkles Abteil im
Frachtraum geworfen. Sie begriff nichts mehr; alles kam ihr so
verworren und undurchsichtig vor. Sie hatte das Gefühl, als
verlöre sie jeden Moment das Bewußtsein und versänke wieder
in dem schwarzen Loch.
    Das Schiff, mit dem sie von der chinesischen Hafenstadt
Qingdao aus quer über den Pazifik gefahren war, wirkte auf den
ersten Blick wie ein typischer Passagierdampfer. Auf den
Namen Indigo Star getauft und von der Wasserlinie bis zum
Schornstein weiß gestrichen, ähnelte es einem kleinen
Kreuzfahrtschiff, auf dem etwa hundert bis hundertfünfzig
Passagiere in allem Luxus und Komfort reisen konnten. In den
riesigen offenen Ladebuchten im Bauch und in den Aufbauten
der Indigo Star drängten sich hingegen nahezu zwölfhundert
illegale chinesische Einwanderer. Das Schiff täuschte - nach
außen hin unschuldig, aber innen die wahre Hölle.
    Nie und nimmer hätte sich Ling Tai vorstellen können, unter
welch unerträglichen Bedingungen sie und über tausend andere
Menschen um die halbe Welt fahren mußten. Das Essen war so
knapp bemessen, daß man kaum davon leben konnte. Die
Toiletten waren in einem fürchterlichen Zustand, und andere
sanitäre Einrichtungen waren schlichtweg nicht vorhanden.
Manch einer war gestorben, vor allem kleine Kinder und
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