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Höllenflut

Höllenflut

Titel: Höllenflut
Autoren: Clive Cussler
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Steuerbordreling
entlang des Promenadendecks in den kochenden Fluten
verschwand. Dann richtete sie sich langsam, viel zu langsam
und schwerfällig wieder auf und dampfte weiter durch den
schlimmsten Sturm, der diese Gewässer seit Jahren heimgesucht
hatte.
    Ausgefroren und vom Schneesturm geblendet, zog sich Li Po,
der zum Wachdienst eingeteilte Zweite Maat, ins Ruderhaus
zurück und schlug die Tür zu. In den vielen Jahren, in denen er
nun schon das chinesische Meer befuhr, hatte er manch heftigen
Sturm erlebt, aber noch nie einen solchen Flockenwirbel. Po
hielt es für ungerecht, daß die Götter derart verheerende Winde
wider die Princess entfesselten, nachdem sie fast die halbe Welt
umfahren hatte und keine zweihundert Meilen vom sicheren
Hafen entfernt war.
    Mit Ausnahme von Kapitän Leigh Hunt und dem leitenden
Ingenieur drunten im Maschinenraum bestand die gesamte
Besatzung aus Nationalchinesen. Hunt, ein alter Seebär, hatte
zwölf Jahre bei der englischen Marine gedient und weitere
achtzehn als Offizier bei drei verschiedenen
Schiffahrtsgesellschaften, davon fünfzehn als Kapitän. Als
Junge war er mit seinem Vater von Bridlington aus, einer
Kleinstadt an der englischen Ostküste, zum Fischfang
ausgefahren, bevor er als einfacher Matrose auf einem Frachter
nach Südafrika angeheuert hatte. Er war ein schmächtiger Mann
mit ergrauenden Haaren und bekümmertem Blick, der stets
etwas geistesabwesend wirkte. Er hatte erhebliche Bedenken, ob
sein Schiff in der Lage war, einen derartigen Sturm abzuwettern.
    Zwei Tage zuvor hatte ihn ein Besatzungsmitglied auf einen
Riß in der Rumpfwand an Steuerbord, unmittelbar hinter dem
Schornstein, aufmerksam gemacht. Er hätte eine Monatsheuer
dafür gegeben, wenn er ihn jetzt, da das Schiff unglaublichen
Belastungen ausgesetzt war, genauer hätte untersuchen können.
Widerwillig verscheuchte er den Gedanken. Bei
Windgeschwindigkeiten von mehr als hundertfünfzig
Stundenkilometern und einer tobenden See, die ein ums andere
Mal über das Schiff hinwegspülte, wäre schon der Versuch der
reinste Selbstmord gewesen. Er spürte es in den Knochen, daß
sich die Princess in großer Gefahr befand, fand sich jedoch
damit ab, daß ihr weiteres Schicksal nicht in seiner Hand lag.
    Hunt starrte hinaus in das Schneetreiben, das die Fenster des
Ruderhauses einhüllte. »Wie sieht's mit der Vereisung aus, Mr.
Po?« sagte er zum Zweiten Maat, ohne sich umzudrehen.
    »Nimmt rasch zu, Käpt'n.«
»Glauben Sie, wir laufen Gefahr zu kentern?«
    Li Po schüttelte langsam den Kopf. »Noch nicht, Sir, aber bis
morgen früh könnte sich die Last auf Decks und Aufbauten als
kritisch erweisen, wenn wir schwere Schlagseite bekommen.«
    Hunt dachte einen Moment nach, dann wandte er sich an den
Rudergänger. »Bleiben Sie auf Kurs, Mr. Tsung. Halten Sie den
Bug in Wind- und Wellenrichtung.«
    »Aye, Sir«, erwiderte der chinesische Steuermann, der
breitbeinig dastand und das Messingruder mit beiden Händen
festhielt.
    Hunt mußte wieder an den Riß in der Rumpfwand denken. Er
konnte sich nicht mehr erinnern, wann die Princess Dou Wan zum letztenmal zu einer ordentlichen Inspektion im
Trockendock gewesen war. Die Besatzung schien sich
seltsamerweise nicht die geringsten Sorgen wegen der
verrosteten Rumpfplatten und der losen oder fehlenden Nieten
zu machen, und offenbar störte sich auch niemand daran, daß
die Lenzpumpen wegen des eindringenden Wassers ständig auf
Hochtouren liefen. Der Rumpf, angegriffen und verwittert wie
er war, war die eigentliche Schwäche der Princess. Ein Schiff
gilt im allgemeinen als alt, wenn es zwanzig Jahre lang die
Ozeane durchpflügt hat. Die Princess indessen hatte
Hunderttausende von Seemeilen zurückgelegt, hatte oftmals
schwere See und manch einen Taifun überstanden, seit sie vor
fünfunddreißig Jahren die Werft verlassen hatte. Es grenzte fast
an ein Wunder, daß sie überhaupt noch schwamm.
    Bei Harmland & Wolff für die Singapore Pacific Steamship
Lines gebaut, war sie 1913 vom Stapel gelaufen und auf den
Namen Lanai getauft worden. Sie hatte eine Bruttotonnage von
10758, eine Gesamtlänge von 151 Metern und war achtzehn
Meter breit. Ihre Dreifach-Expansionsdampfmaschinen leisteten
fünftausend Pferdestärken, die auf zwei Schrauben übertragen
wurden. In ihrer besten Zeit machte sie beachtliche siebzehn
Knoten. Bis zum Jahr 1931 war sie zwischen Singapur und
Honolulu verkehrt, war dann an die Canton Lines verkauft
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