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Hölle ohne Hintertür

Hölle ohne Hintertür

Titel: Hölle ohne Hintertür
Autoren: Stefan Wolf
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müssen — ,
weil er für ein Stück Schönheit in der lombardischen Landschaft oder an bzw.
zwischen den oberitalienischen Seen das Geld nicht besaß.
    Das Uro-Tal war eine steinige
Mulde, zwei Kilometer lang, kaum halb so breit. Was hier wuchs, war genügsam.
Die Palmen, Pinien und Zypressen sahen magersüchtig aus. Auf der unbefestigten
Straße zogen Autos und Motorräder stets Staubwolken hinter sich her. Doch
Fahrzeuge waren selten, denn freiwillig kam niemand hierher, jedenfalls kein
Fremder, kein Tourist.
    Aber was ist das schon, schön
oder hässlich?, dachte Korlitzer. Wenn mir das Gemälde zu einem hässlichen
Thema gelingt — dann ist das schön.
    Er lehnte am Türrahmen und
trank einen Schluck aus der Wasserflasche. Sein Haus war das einzige im Tal.
Früher hatte irgendein Verrückter hier Hühner gezüchtet und die Eier auf dem
Markt feilgeboten, aber das war schon lange her. Immerhin erinnerte sich
Korlitzer, dass der Boden ringsum anfangs gestunken hatte nach Hühnerdreck. Das
Haus war inzwischen zur Bruchbude verkommen. Nur das Atelier im größten Raum
auf der Rückseite war noch nicht in der Talsohle menschlicher Wohnkultur.

    Und einer wie ich, dachte er,
hat 400 000 Euro Schulden. Bei den brutalsten Knochenbrechern dieses
Kontinents. Ich sollte gelähmt sein vor Angst, mir die Kugel geben oder nach
Patagonien (südlichster Teil Südamerikas) fliehen. Stattdessen fühle ich
mich sauwohl. Na ja, sagen wir, ich zittere nicht. Und meine Unterhosen werden
noch nicht koloriert.
    Er war groß, 44 Jahre alt und
Deutscher, hatte ein ansprechendes männliches Gesicht und sprach so perfekt
Italienisch, als hätte er hier nicht nur die letzten acht Jahre, sondern den
größten Teil seines Lebens verbracht. Als Kunstmaler besaß er Talent. Aber ihm
fehlte die unerlässliche Zielstrebigkeit, um sich in der Kunstszene einen Namen
zu machen. Außerdem war er mit charakterlichen Mängeln geschlagen. Sein
schlimmstes Problem war die Spielsucht. Er konnte nicht leben ohne diesen
Nervenkitzel und hatte deshalb ein schweres Verbrechen begangen.
    Doch davon soll später die Rede
sein, denn das Verbrechen lag Jahre zurück und war nie aufgedeckt worden.
    Aus der Ferne näherte sich eine
Staubwolke. Ein graubrauner Kometenschweif hing hinter dem Motorrad und löste
sich nur langsam auf. Korlitzer bewegte die Zunge zwischen den Zähnen. Allein
der Anblick der Staubwolke vermittelte ihm sandigen Geschmack im Mund und ein
Kratzen im Hals.
    Das Motorrad preschte heran,
eine 1000-ccm-Maschine aus funkelndem Chrom und rot blitzendem Lack. Sie
stoppte neben Korlitzers altem Mercedes, der Rostflecke hatte und ein
Milano-Kennzeichen. Der Kradfahrer stieg ab, eine schlanke Gestalt in weißer
Ledermontur. Der Helm war schwarz, wurde abgenommen und gab eine rotbraune
Mähne frei. Es war eine Frau.
    »Hallo, Gunnar!« Sie sprach
Italienisch.
    »Buon giorno, Maria!« Er trat
zu ihr und küsste sie auf den Mund. »Ich wusste nicht, dass du kommst, der
Zeitpunkt ist nicht besonders günstig.«
    Maria Corsetta war eine
Schönheit — mit dunklen Mandelaugen, edler Nase und schmalem Gesicht. 31 Jahre
war sie alt, geschieden und Porträtfotografin in Mailand. Korlitzer kannte sie
seit drei Monaten und hatte eine heiße Beziehung zu ihr.
    Ernst und fragend zugleich sah
sie ihn an. »Ich komme, weil ich besorgt bin. Ich bin nicht klug geworden aus
dem, was du am Telefon gesagt hast. Aber es scheint schlimm zu sein.«
    Er nickte und ließ
Schuldbewusstsein auf seinem Gesicht entstehen wie ein Dackel, der zwar
stubenrein ist, sich aber nicht immer daran hält.
    »Ich erwarte jeden Moment
Besuch, unwillkommenen Besuch. Muss nicht sein, dass die dich sehen. Ich
schiebe mal den Feuerstuhl hinters Haus. Wenn die dann kommen, versteckst du
dich in der Kammer.«
    »Um Himmels willen! Wen
erwartest du? Al Capones Enkel?«
    »So ungefähr.«
    »Das darf doch nicht wahr
sein.«
    »Geh schon mal rein. Kaffee
steht in der Küche.«
    Hinterm Haus war ein kleiner
Schuppen. Dort verbarg Korlitzer die Maschine. Als er in die Küche kam, hatte
sich Maria aus ihrer Motorradkluft geschält. Darunter trug sie Shorts aus
Jeans-Stoff und ein T-Shirt mit dem Aufdruck Vai in mona (Verpiss dich)! Der Kaffee in der Kanne war nur noch lauwarm.
    »Also, Gunnar! Was ist los?«
    »Ah... ich bin Falschspielern aufgesessen.
Profis. Ich will dich nicht mit Einzelheiten nerven. Es war dumm von mir. Aber
es ist eben passiert. Und aus dieser Hölle gibt’s für mich keine
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