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Hölle ohne Hintertür

Hölle ohne Hintertür

Titel: Hölle ohne Hintertür
Autoren: Stefan Wolf
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Hintertür,
denn es ist die Mafia selbst. Die Zocker-Mafia, die Gambling-Inc. Ich weiß
nicht, ob du von denen schon gehört hast. Ein Syndikat, mächtig wie ein
führender Industriekonzern. Sie sind in ganz Europa, fast in jeder Großstadt,
unterhalten ihre Spielhöllen und beschäftigen eine Armee von Knochenbrechern.
Die sind ebenso nötig wie die Falschspieler, um die Einkünfte zu sichern. Denn
Spielschulden lassen sich gerichtlich nicht einklagen. Nein, die müssen privat
eingetrieben werden, und der Gambling-Inc. bleibt man nichts schuldig, wenn man
weiterleben will. Die holen sich ihr Geld oder der Schuldner springt über die
Klinge — als Warnung für alle, die vielleicht denken, sie könnten sich einen
schönen Abend am Spieltisch machen und dann leere Taschen nach außen stülpen.«
    Entsetzt sah sie ihn an.
Zugleich aber lag ein rosiger Schimmer auf ihrem Gesicht, ein Ausdruck wie eine
fiebrige Erwartung — ein Ausdruck, den er nicht deuten konnte. »Wie viel
schuldest du?«
    »400 000 Euro.«
    Das verschlug ihr die Sprache.
Dann: »In wie vielen Nächten hast du dir das eingehandelt?«
    »In einer.«
    »Und die haben dich in keiner
Minute gefragt, ob du über ausreichend Geld verfügst?«
    »Sie haben mir Kredit gegeben.
Ich sagte, ich hätte gerade nicht genügend Bargeld bei mir. Ich sah aus wie ein
verdammter Großkotz. Ich hatte meinen weißen Leinenanzug an. Der japanischen
Rolex, diesem Goldblech-Imitat, sieht man ja nicht an, dass es keine echte ist.
Außerdem bin ich mit einem Ferrari der Spitzenklasse vorgefahren und habe den
Eindruck erweckt, es wäre meiner. War natürlich Saschas Wagen. Ja, ich weiß,
Maria. Alles Wahnsinn. Aber... es hatte... mich mal wieder gepackt. Es war
dramatisch, aufregend, wunderbar. Und anfangs hatte ich tatsächlich gedacht,
ich könnte groß absahnen. Ich bin ja kein Neuling.«
    Sie blickte zu Boden. »Aber du
lernst nicht aus Erfahrung. Du wirst nicht klug.«
    »Davon besessen sein — das ist
wahrscheinlich wie die Abhängigkeit von Heroin. Aber die Spielsucht lässt einen
gesundheitlich unbeschadet. Wenn die Gesundheit den Bach runtergeht, machen das
die Geldeintreiber, die Knochenbrecher. Das steht auf ‘nem anderen Blatt.«
    »Und nun? Was wird aus unserem
Ausflug ans Meer?«
    »Daraus wird nun nichts. Tut
mir Leid.«
    »Was hast du vor? Du wirkst
nicht gerade verzweifelt. Willst du kellnern, um die 400 000
zusammenzukriegen?«
    »Meine Bilder... die
Ausstellung...«
    »Vergiss es!«, unterbrach sie
ihn. »Wer weiß, ob der Galerist was verkauft. Und wenn ja, wann? Und zu welchem
Preis? Überhaupt — warum kommen diese Geldeintreiber jetzt zu dir? Ist die
Frist abgelaufen?«
    »Nein. Sie haben mir zehn Tage
eingeräumt. Aber durch Zufall sind sie vorhin auf Sascha Dingmann gestoßen —
vielmehr auf den Ferrari. Das Kennzeichen ist offenbar in den Köpfen
gespeichert. Die Typen haben sich Sascha vorgenommen, dachten wohl, er hätte
mir den Wagen geklaut. Dabei ist natürlich rausgekommen, dass ich nicht der
Besitzer bin. Sascha meint, sie wären so sauer gewesen, dass sie jetzt hier
antanzen werden.«
    »Um sich von deiner wirklichen
Vermögenslage ein Bild zu machen.«
    »Wahrscheinlich.«
    Sie bedeckte ihr Gesicht mit
den Händen. »Mir wird übel vor Angst. Du bist verloren.«
    »Ich... habe einen Plan.«
    »Du willst abtauchen.«
    »Ah... nein! Wahrscheinlich
würden sie mich finden. Ich muss das Geld beschaffen.«
    Sie ließ die Hände sinken und
sah ihn an. Der rosige Schimmer auf ihrem Gesicht hatte sich verstärkt. Die
dunklen Augen glänzten. »Woher, Gunnar, willst du 400 000 Euro nehmen?«
    Er wandte sich ab, blickte
durch das schmutzige Fenster hinaus zum Schuppen. »Sei nicht böse, Maria. Aber
das möchte ich dir jetzt nicht erzählen. Vielleicht später, wenn alles gelaufen
ist. Es wird nämlich ein Griff in meine Vergangenheit. Ich muss eine
zugenagelte Kiste öffnen, in der meine Herkunft eingesperrt ist. Das ist nicht
sehr erfreulich.«
    »Gunnar! Wir sind ein Paar. Du
kannst mir alles sagen.«
    »Nein, Maria! Nicht jetzt.«
    »Was... wirst du tun?«
    »Ich verreise, wie ich dir am
Telefon sagte. Aber ich komme wieder.«
    »Wann verreist du? Heute noch?«
    Er schüttelte den Kopf.
»Wahrscheinlich am Mittwoch oder Donnerstag. Und ich bleibe nicht lange weg.«
    »Und dann hast du das Geld?«
    Er grinste. »Ich hoffe es.«
    Einem Instinkt folgend, trat er
zum Fenster und blickte die Straße entlang. Es war der richtige Moment.
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