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Hölle ohne Hintertür

Hölle ohne Hintertür

Titel: Hölle ohne Hintertür
Autoren: Stefan Wolf
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sie
kurz angebunden. »Hab noch zu tun.«
    Ihr Abschiedskuss streifte nur
sein Kinn. Dann lief sie hinters Haus zum Schuppen. Einen Moment später
donnerte sie an dem Mercedes vorbei auf die Straße und mit steigendem Tempo in
südwestliche Richtung. Dort in der Ferne, unter einer Dunstglocke, dem Brodem
aus Abgasen und Emissionen (Schadstoffe in der Luft) lag Mailand. Gunnar
Korlitzer liebte diese Stadt, wo man in jeder Nebenstraße erwarten konnte, auf
ein Zeugnis der bewegten Geschichte zu stoßen. Aber er liebte Mailand nicht so
sehr, dass er ihr nicht sofort hätte Adieu sagen können, um dann nie
wiederzukehren. Das Gleiche galt für Maria.

5. Drama am
Badesee
     
    Auch wenn Tim total mit eigenen
Gedanken beschäftigt ist, mit eigenen Vorhaben und Zielen — denn er ist ja
immer in Action verliert er doch nie seine Freundin aus dem Auge. Jede
Veränderung in Gabys Verhalten fällt ihm sofort auf. Stimmungsschwankungen sind
da nicht weiter beunruhigend, denn bei vielen Mädchen kommen die öfters vor als
bei Jungs. Aber wenn sich Gaby ungewöhnlich benimmt, ist Tim alarmiert.
    Jetzt war das der Fall.
    TKKG lagen am Ufer des
Klünitzer Sees, etwas abseits vom Badestrand, wo an die hundert Sonnenanbeter
lagerten, Jugendliche und junge Mütter mit Kindern. Der Lärm war erträglich.
Die Kids tobten im Wasser. Ermahnungen wurden gerufen und aufblasbare
Gummiboote sowie Badeinseln umgekippt. Letzteres geschah durch unter Wasser
angreifende Widersacher, ausgerüstet mit Schwimmflossen und Tauchmaske, die auf
diese Weise Boote und Inseln eroberten.
    Oskar lag zwischen Gaby und
Karl und kaute an einem Büffelknochen. Klößchen hatte sich für die tarnfarbene
Badehose entschieden, sah also um die Mitte herum aus wie ein Stück Urwald.
Gitta und Florentine waren zum anderen Ufer geschwommen, um dort zwei Jungs zu
begrüßen, mit denen sie für Samstag zum Kino verabredet waren. Theoretisch
hätten auch Heiko und Max herüberkommen können. Aber Max hatte kürzlich von Tim
eine Ohrfeige bezogen — aus gewichtigem Grunde — und hielt sich deshalb fern.
Heiko als sein Freund wäre nicht von ihm abgerückt.
    Umso besser, dachte Tim, dass
wir unter uns sind. Niemand stört unser vertrauliches Reden. Also erzählte er
Gaby und Karl, was er zusammen mit Klößchen vor dem Krankenzimmer belauscht
hatte.
    »...hat aber Martin mehr Angst
als frische Unterhosen«, schloss er seinen Bericht. »Er verplappert sich zwar
wie ein Psycho mit Dachschaden, aber was die Fakten betrifft, benimmt er sich
wie eine Auster mit Schweigegelübde. Da kommt nichts. Es wäre ein Unfall
gewesen, ist die offizielle Mitteilung. An der hält er fest mit einer Kraft,
die ihm — wie ich glaube — aus Todesangst zuwächst.«
    Tim hatte sich auf die Seite
gedreht und sah Gaby an. Sie lag auf dem Rücken und hielt die Augen
geschlossen. Dann wandte sie den Kopf und erwiderte seinen Blick. Ihre
Kornblumenaugen schimmerten feucht. Die Lider mit den langen dunklen Wimpern
zuckten.
    Besorgt sah Tim seine Freundin
an. Himmel!, dachte er. Ist ihr nicht gut? Sieht ja aus wie Braunbier und
Spucke. Immer noch wunderschön. Aber als wäre Scharlach im Anzug, zusammen mit
Angina und Fiebermigräne. So elend sah Pfote noch nie aus. Ob ich sie jetzt in
die Arme nehme?
    »Hallo, Gaby«, lächelte er. »Du
bist ein ganz klein bisschen blass um die Nase. Geht’s dir nicht gut?«
    »Doch. Mir fehlt nichts. Alles
roger.«
    Aber sie sieht mich an, dachte
er, als müssten wir gleich Abschied nehmen für immer.
    »Okay.« Er grinste. »Dann kann
ich dich ja fragen, ob dir was aufgefallen ist.«
    Sie drehte den Kopf und
beobachtete einen Fischreiher, der über den See flog. »Aufgefallen? Wobei?«
    »Als du Martin gefunden hast.«
    »Er war bewusstlos, kam aber
gleich zu sich.«
    »War jemand in der Nähe?«
    »Habe niemanden gesehen.«
    »Was hat Martin gesagt?«
    »Nichts. Jedenfalls nicht
gleich. Er hat geplärrt wie eine Heulsuse. Dass ihm Knie und Finger so
wehtäten.«
    »Ich wette meine tolle neue
Badehose«, die wie ein Tigerfell bedruckt war, »gegen ein welkes Feigenblatt,
dass ihm jemand die Kniescheibe zerschmettert und die Finger gebrochen hat.
Jemand, dem er 68 000 Euro schuldet, was ja für unsereins ‘ne astronomische
Summe ist.«
    Gaby schluckte. Er sah, wie
sich ihr zarter Hals bewegte. Sie hatte wieder die Augen geschlossen, obwohl
TKKG hier unter ufernahen Bäumen lagen und die Sonne nicht blenden konnte. Eine
kleine Träne quoll unter Gabys Lid
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