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Hölle ohne Hintertür

Hölle ohne Hintertür

Titel: Hölle ohne Hintertür
Autoren: Stefan Wolf
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Wärme
einen hellen, gestreiften Anzug, dunkelblaues Hemd und gelbe Krawatte. Er
bewegte sich träge, ständig mit freundlichem Ausdruck auf dem derben Gesicht. Er
sah harmlos aus wie ein Biergartenkellner, dessen großes Glück hohe Trinkgelder
sind an Schönwettertagen mit frühem Feierabend. Aber das täuschte, wie Gaby von
ihrem Vater wusste. Die beiden waren zurzeit — und das schon seit einer ganzen
Weile — die brutalsten Typen in der hiesigen Unterwelt. Gefährlich vor allem,
weil sie zur Spielhöllen-Mafia gehörten. Dieses mächtige Verbrechersyndikat
hatte sich ausgebreitet über ganz Europa.
    »Was hier passiert ist«, sagte
Vorderstein, »geht dich nichts an. Verstehst du?! Es geht dich nichts an. Du
hast nichts gesehen. Jedenfalls hast du uns nicht gesehen. Ist das klar?«
    Gaby antwortete nicht. Für
einen Moment versuchte sie, den eisigen Blicken standzuhalten. Aber dann sah
sie lieber zu Oskar hin und die Gänsehaut war jetzt ein ständiges Frösteln —
Gaby hätte sich einen Wintermantel herbeigewünscht mit Schal und Kapuze.
    »Ich glaube, sie will nicht
kapieren«, sagte Luigi durch die Zähne.
    »Doch! Sie will. Und sie wird.
Hör mir jetzt genau zu, Gabriele Glockner! Wir wissen, wer du bist. Und wir
hatten schon mit deinem Vater zu tun. Eine Wiederholung möchten wir nicht. Das
heißt, du wirst deinem Vater kein Wort über uns erzählen. Kein Wort. Du hast
den Weichheini hier gefunden. Mehr weißt du nicht. Alles klar?«
    Gaby schwieg. Sie wusste, wie
unklug das war. Sie hätte nicken können, hätte sich aufraffen können zu einem
falschen Versprechen. Aber sie brachte es nicht über sich — trotz ihrer Angst.
    »Sie will nicht kapieren.«
Luigi streichelte seinen Totschläger. »Oder sie ist blöd. Oder stur wie ein
Rhinozeros.«
    Bernds Miene wurde noch
freundlicher, fast herzlich. »Vielleicht weißt du, Gaby, dass wir zu einem
verdammt großen, verdammt mächtigen und verdammt harten Verein gehören.
Aufgrund deiner Aussage könnte man uns zwar nicht einlochen, aber wir hätten
Ärger und erst mal wären uns die Hände gebunden. Uns ja. Aber nicht den vielen
hundert Kumpels, die wir haben. Das sind sehr böse Jungs. Und jetzt verspreche
ich dir was: Ein Sterbenswort über uns — und du kannst deinen Freund Tim vergessen.
Denn an den halten wir uns dann. Den wird es treffen. Irgendwann, irgendwo.
Wenn er nicht damit rechnet. Dagegen kann er sich nicht schützen. Nichts und
niemand kann ihn davor bewahren. Wäre doch ein Jammer um den prächtigen
Burschen, wenn er den Rest seiner Tage im Rollstuhl verbringt — ein Haufen
Elend, angewiesen auf fremde Hilfe. Und es wäre deine Schuld. Zeitlebens
müsstest du dir Vorwürfe machen. Weil du den Mund nicht halten konntest, verlor
er seine Gesundheit, unwiederbringlich. Haben wir uns jetzt verstanden?«
    Gaby schluckte. Ihr Mund war
trocken, eng der Hals, das Herz hämmerte. In dieser Sekunde wusste sie: Sie
hatte verloren. Sie musste gehorchen. Das Syndikat war zu mächtig. Die
Verbrecher würden ihre Drohung wahr machen. Offensichtlich wussten sie von Tim,
wussten von der liebevollen Beziehung zwischen ihr und ihm. Um nichts in der
Welt hätte Gaby ihren Freund gefährdet.
    Ich werde schweigen, dachte
sie. Mein Gewissen wird aufschreien, aber damit muss ich fertig werden. Ja,
schweigen. Ich habe nichts gesehen. Schweigen gegenüber meinem Papi. Schweigen
gegenüber Tim. Schweigen allen gegenüber.
    Sie nickte. »Ich sage nichts.
Zu niemandem.«
    »Kluges Mädchen!«, lobte Luigi.
    »Von mir erfährt niemand, dass
Sie hier waren«, ihre Stimme klang verzweifelt. »Aber was ist mit Martin?« Sie
wies auf den Bewusstlosen. »Hat er Sie gesehen? Dann wird er’s auch aussagen.«
    »Mach dir darüber keine
Sorgen.« Bernd lächelte seifig. »Der wird was von einem Unfall erzählen. Dass
er gestürzt ist oder so.«
    »Ganz bestimmt kein Wort über
uns«, bekräftigte Luigi mit schmierigem Grinsen. »Eher frisst er sein linkes
Bein.«
    Bevor sie abzogen, trat Bernd
zu dem Bewusstlosen und riss ihm den Klebestreifen vom Mund. Zusammengeknüllt
flog das Plastikband in die Büsche.
    Gaby sah den beiden nach, bis
sie hinter der Biegung verschwanden, in gemächlichem Tempo, sich ihrer Sache
sicher und froh gelaunt.
    Sie band Oskar fest, dann
beugte sie sich über Martin. Er atmete regelmäßig. Ins Gesicht kehrte Farbe
zurück.
    Was haben sie mit ihm gemacht?,
überlegte Gaby. Das Knie blutete tatsächlich. Und die Kniescheibe hatte sich in
seltsamer
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