Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hölle ohne Hintertür

Hölle ohne Hintertür

Titel: Hölle ohne Hintertür
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
Frack wie im
Windkanal. Außerdem, überlegte Tim, stellt sich jetzt die Frage, ob seine
aktuellen Verletzungen wirklich Folgen eines Sportunfalls sind.
    »Haste das gehört?«, flüsterte
Klößchen. »Hat der am Bratwurstkiosk zu lange anschreiben lassen?«
    »Pst!«
    Offenbar hatte Martin die
Strafpredigt seines alten Herrn ohne Widerrede geschluckt. Und des Juniors
Abschiedsworte klangen wie ein Dankgebet.
    »Danke, Papa! Ja, versprochen!
Nie wieder! Aber jetzt muss ich mich rauskaufen. Die Polizei einzuschalten wäre
ganz falsch. Wie soll ich was beweisen?! Und damit hätte ich mein Ende
eingeläutet. Nein, es geht nur mit Geld. — Also morgen? Super! Hugo kommt
morgen. Danke, Papa!«
    Das Telefonat war offenbar
beendet. Eine Matratze ächzte. Ein Federbett raschelte. Martin richtete sich
ein im Krankenstand, und jetzt würde sich zeigen, wie tief er sein düsteres
Geheimnis in sich begraben hatte.
    Tim wartete noch einen
Augenblick, bevor er klopfte. Martins »Herein!« klang dann fast fröhlich.
    Es war ein Sechs-Betten-Zimmer.
Fünf Schnarchkisten waren leer, Martin hatte die am Fenster belegt. An einem
schmalen, hohen Fenster mit Aussicht in den Park. Es war geschlossen. Eben
gaukelten an der Scheibe zwei verliebte Zitronenfalter vorbei.
    Martin saß im Bett, mit einem
Gesicht so hell wie das Laken. Das rechte Bein ragte unter der Decke hervor,
das Knie war bandagiert und umwickelt. Auch die linke Hand steckte in einem
dicken Verband und die gebrochenen Finger waren natürlich geschient. Auf dem Nachttisch
lag ein stahlblaues Handy.
    »Hallo!« Tim trat näher. »Wie
geht’s dir?«
    »Hallo, Tim! Hallo, Klößchen!
Naja, ich hätte nicht geglaubt, dass ein Waldlauf so gefährlich sein kann. Ihr
wisst es von Gaby?«

    Tim nickte und setzte sich aufs
Nachbarbett. Klößchen ließ sich auf den einzigen Stuhl nieder.
    »Alles gebrochen.« Tim deutete
auf Knie und Hand. »Sagt Gertrude. Hast du Schmerzen?«
    »Na ja. Ich halt’s aus.«
    »Die Sommerferien wirst du
jedenfalls im Schongang verbringen«, meinte Klößchen.
    »Es gibt Schlimmeres.« Martin
grinste unfroh.
    »Wie ist das eigentlich
passiert?« Tim versuchte, Martins Blick einzufangen. Aber dessen rehbraune
Augen, sanft wie bei einem Cockerspaniel, waren ständig in nervöser Bewegung,
wichen allem aus — dem Licht, der Luft, dem Anblick des Zimmers und den Blicken
der Mitschüler.
    »Was?«
    »Wie das passiert ist?«
    »Ich bin gestürzt.«
    »Und dein Knie hat die Landung
aufgefangen. Sonst wäre es nicht kaputt. Dann bist du also danach auch noch auf
die Hand gefallen.«
    Martin hob die Schultern und
starrte auf einen winzigen Riss in der Bettdecke. »Muss wohl so gewesen sein.«
    »Könnte es sein, dass dich
jemand geschubst hat?«
    »Was?«
    »Zum Henker, Martin! Ich denke,
deine Birne hat nichts abgekriegt. Frag nicht dauernd Was?, wenn ich ‘ne
glasklare Frage stelle. Wir sind hier nicht auf der Hilfsschule.«
    »Ich... ich bin noch benommen.
Ich war vor Schmerzen bewusstlos.«
    »Klar! Man wird bewusstlos,
wenn einem die Finger gebrochen werden. Aber der Waldboden war das nicht.«
    »Was?«
    Klößchen stöhnte auf. »Scheint
neuerdings sein Lieblingswort zu sein. Aber dazu ist was doch gar nicht
geeignet. Lieblingsworte — das sind... äh... Schokoladenpudding,
Feinschmeckermenü, Ferienbeginn, Taschengelderhöhung, Erbonkelbestattung,
Knutschwettbewerb. Jaja, schon gut!«, beendete er grinsend seine Aufzählung,
gestoppt von Tims Blick.
    Okay, dachte der
TKKG-Häuptling, seinem Vater hat er nichts verraten und bei uns spielt Martin
den Dummen. Aber so geht’s nicht.
    »Wir wollten dir die Chance
geben, freiwillig auszupacken, Martin. Denn wir haben unfreiwillig mit
angehört, wie du deinen Ernährer bekniet hast. 68 000 Euro! Mann! Davon kriegst
du ‘ne vierköpfige Familie ein Jahr lang satt. Aber du willst das Geld dem
Brutalo zwischen die Hinterbacken schieben, obwohl du ihm die Brüche verdankst.
Und deine Ohren und Zehen sind als Nächstes dran, wie?«
    »Nur wenn ich nicht zahle«,
kreischte Martin. Angst verzerrte sein Gesicht.
    »Aha.«
    »Von mir erfahrt ihr nichts.«
    »Du wurdest also misshandelt?«
    »Nein. Es war ein Unfall.«
    Tim verdrehte die Augen, nahm
seine Baseballmütze ab und klatschte sich damit aufs Knie. Lediglich minimalen
Staub brachte das hervor. Es war auch nur gedacht als Geste der Verärgerung.
    »Martin, so kommen wir nicht
weiter. Du bist in was reingeraten und wirst jetzt erpresst. Was man mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher