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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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kündigen sich nicht mit Pauken und Trompeten an. In diesem Fall waren es zwei winzige Namenszüge, die ebensogut unter einer Schneiderrechnung oder der monatlichen Stromrechnung hätten stehen können.
    »Weißt du, daß du deine Frau noch nicht einmal geküßt hast?« fragte mich Isabell vorwurfsvoll, als wir wieder allein waren.
    »Weißt du«, entgegnete ich, »daß der Kuß jetzt zu einer sekundären Handlungsform geworden ist?«
    Sie sah an mir vorbei.
    »Ich habe für uns ein Zimmer im >Europa< reservieren lassen«, sagte ich eifrig. »Wir werden sehr glücklich sein, auch wenn es nicht unsere eigenen vier Wände sind.«
    Sie sah mich bestürzt an: »Im >Europa    »Mach dir keine Sorgen, die Leute dort sind sehr diskret!«
    »Woher weißt du das?« fragte sie argwöhnisch.
    »Das ist doch in jedem feinen Hotel so!«
    »Ich sehe, du hast deine Erfahrungen!«
    »Dazu braucht es keine Erfahrungen, das weiß jeder!«
    »Ich wußte es nicht.«
    »Dann wirst du es heute abend wissen.«
    »Warst du schon einmal im >Europa    »Nein, aber Freunde —«
    »Haha! Freunde!«
    »Jawohl Freunde«, sagte ich und spürte die ersten Anzeichen einer auf kommenden Verärgerung. »Freunde aus Paris!«
    »Aus Paris? Das wird ja immer schöner.«
    Ich blickte verständnislos.
    »Man weiß ja, wie die Pariser sind«, sagte sie mit Nachdruck.
    »Es war ein Journalistentreffen.«
    »Ein Journalistentreffen«, höhnte sie.
    »Himmelherrgottkreuzdonnerwetter —«
    »Fluche nicht, wenigstens nicht an diesem Tag!« sagte sie und hatte plötzlich die Augen voll Tränen.
    Tränen bei einer Frau, die man liebt, sind etwas Schauderhaftes. Das bißchen Salzwasser macht einen sofort zum Verbrecher. Isabell war noch dazu in der Lage, besonders schön zu weinen.
    »Nicht doch«, stotterte ich, »bitte nicht — ohgottohgott —«
    Sie beruhigte sich nur sehr langsam und unter unaufhörlichen Selbstbezichtigungen meinerseits.
    »Glaubst du nicht«, sagte ich endlich, »daß auch ich lieber in ein eigenes Heim —«
    »Wir haben unser eigenes Heim«, schluckte sie, »du weißt ganz genau, daß Papa die zwei Eckzimmer für mich reserviert hält, und die kleine Küche, und das Bad —«
    Ich konnte nichts dafür, aber der Zynismus brach wie eine Stichflamme aus mir: »Dann auf zu deinem Papa! Ich habe nichts dagegen, aus dem Kuckucksei zu schlüpfen, das du ihm gelegt hast.«
    Sie sah mich an, als hätte ich einen Säugling aus dem dritten Stock geworfen.
    »Ich wußte, daß du gemein sein kannst«, sagte sie, »aber daß du zwei Stunden nach unserer Trauung —«
    »Erlaube mal!« sagte ich wütend. »Habe ich die Idee mit dem Probejahr aufgebracht?«
    »Du warst damit einverstanden!«
    »Weil mir keine andere Wahl blieb!«
    »Das ist nicht wahr!«
    »Das ist sehr wohl wahr!«
    Der erste Ehekrach war fertig. Ich hätte nicht gedacht, daß das so mühelos gehen würde!
    Plötzlich fiel sie mir mitten auf der Straße um den Hals.
    »Verzeih«, flüsterte sie, »ich bin so schrecklich nervös.«
    »Wir sind beide etwas durcheinander«, beruhigte ich sie.
    »Es wird alles gut werden«, versicherte sie.
    »Ich bin überzeugt davon«, bestätigte ich.
    Wir putzten einander liebevoll ab. Ich ihr die Tränen, sie mir das Rouge.
    Während wir weitergingen, setzte ich ihr mit neuem Schwung meinen Plan mit dem >Europa< auseinander.
    »Du Ärmster«, sagte sie, nachdem sie mir wortlos zugehört hatte.
    Ich sah ganz und gar nicht ein, warum ich ausgerechnet jetzt arm sein sollte. Ich sagte ihr das auch.
    »Weil du alles hast vorrichten lassen!«
    »Das war doch sehr klug von mir, oder?«
    »Gewiß, nur —«
    »Nur?«
    »Freilich, du konntest es nicht wissen —«
    »Was konnte ich nicht wissen?« fragte ich ungeduldig.
    »Ach, Liebster, du wirst jetzt gleich wieder ganz böse sein.«
    Ich wußte noch immer nicht, wo sie hinauswollte. Aber ich zweifelte nicht mehr daran, daß wir unserem zweiten Ehekrach zustrebten.
    »Du konntest nicht wissen, daß du alles umsonst arrangiert hast.«
    Mir verschlug es den Atem: »Umsonst?«
    »Ja! Ich bin in der Redaktion zum Nachtdienst eingeteilt.«
    In diesem Augenblick verstand ich, daß es Gefühle gibt, die selbst den Sanftmütigsten zum Mord treiben können.
    »Der Chef hat es angeordnet«, sagte sie. »Ich konnte ihm nicht sagen, daß es meine Hochzeitsnacht ist.«
    Ich sprach kein Wort mehr. Mit verbissenem Gesicht stapfte ich darauflos, während sie sich bemühte, mit mir Schritt zu halten. Gott, was war ich
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