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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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doch für ein Esel gewesen, eine Verrückte zu heiraten, eine Sadistin, einen Vampir. Dann verfiel ich auf Rachegedanken.
    Ich würde Anneliese anrufen, oder Monika, oder Maria. Am besten alle drei. Ich würde Isabell betrügen, wie noch keine Frau betrogen worden war. Ich würde — ich würde —
    Ein Laternenpfahl, gegen den ich mit meinem Kopf stieß, gab mir die Sprache zurück.
    »Du verstehst dich sonst doch so ausgezeichnet aufs Lügen«, schrie ich. »Warum hast du nicht deine Großmutter sterben oder deine Mutter ein Kind kriegen lassen?«
    »In einer Woche ist Weihnachten«, sagte sie sanft. »Dann nehmen wir unsere Skier und fahren in die Berge.«
    »Ich pfeife auf deine Skier und die Berge!«
    »Du solltest dich schämen«, heulte sie wie eine Luftschutzsirene auf.
    »Das tue ich auch. Aber für dich«, brüllte ich.
    Das war der Ehekrach Nummer zwei. Er war uns noch leichter gefallen als der erste. Ich sah ein, daß es zwecklos sein würde, weiterzuzählen.
    Und dann kam es wirklich so. Sie machte ihren Nachtdienst, und ich saß allein in der oberstlichen Wohnung, zwischen den verblichenen Familienfotos, den verdammten Generalsköpfen und den armseligen Topfpflanzen.
    Hatte sich wirklich nichts geändert?
    Alles war anders geworden! Alles!
    Erbittert, das Kissen in der Linken und die Cognacflasche in der Rechten, schlief ich noch an demselben Tag ein, der angeblich den Höhepunkt unseres Daseins darstellen soll.

4

    Weihnachten ist das Fest der Familie und der Liebe. Ich merkte weder von dem einen noch von dem anderen etwas. Ich hatte eine Familie und ich hatte doch keine. Ich besaß die Liebe und ich besaß sie doch nicht. Die Praxis war für mich Theorie und die Theorie Praxis.
    Die Vorfreude, hier Advent genannt, soll angeblich das Schönste sein. Das war eine Lüge. In der Redaktion türmten sich die Manuskripte. Der Chefredakteur hatte mir zu dem üblichen Weihnachtspensum noch die Betreuung der Beilagen aufgebürdet.
    Seine Begründung war ebenso geschmacklos wie provokant: »Sie sind Junggeselle! Sie brauchen Zerstreuung!«
    Meinen Bedarf an Festtagsstimmung deckte er mit einem Waschkorb voll Einladungen für Weihnachtsfeiern, die alljährlich prominente Persönlichkeiten des politischen und wirtschaftlichen Lebens für einen Personenkreis zu geben pflegen, der für sie sonst nur auf der Wähler- oder Lohnliste existiert: für Rentner und kleine Betriebsangehörige.
    Immerhin: Schenken macht Freude. Sehr viel Freude sogar. Angeblich noch mehr Freude, als selbst beschenkt zu werden.
    Zugegeben. Vorausgesetzt, daß man weiß, was man schenken soll. Ich wußte das ganz und gar nicht.
    Ich beschloß daher, mich an die Erfahrungen zu halten. Ich interviewte meine verheirateten Kollegen. Hier das Ergebnis:
    Der Außenpolitiker: Wir schenken uns überhaupt nichts. Unser Geld steckt in der neuen Wohnung.
    Der Kulturredakteur: Schenken? Du bist verrückt. Ist doch alles nur ein Trick der Geschäftsleute. Am besten, man geht einmal früh ins Bett.
    Der Wirtschaftsredakteur: Wir haben uns im Sommer eine Waschmaschine gekauft, auf Teilzahlung. Wurde à conto Weihnachten und Ostern verbucht.
    Der Sportredakteur: Wenn ich das bloß wüßte! Vielleicht wird es diesmal ein Schlafrock oder ein Schnellkochtopf. Ist auch egal. Umgetauscht wird es ohnedies.
    Der Lokalchef: Langsam! Langsam! Sind ja noch fünf Tage Zeit!
    Der Chefreporter: Darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Ich gebe ihr das Geld, und sie kauft sich, was sie braucht.
    Der Chef vom Dienst: Schema F, das hält am besten. Weihnachten fünf Paar Strümpfe, Ostern zwei, Geburtstag drei. Basta!
    Daraufhin probierte ich es mit dem »Ratgeber für Verliebte«, der seit vier Wochen in regelmäßigen Abständen in meiner Zeitung erschien. Ich studierte sämtliche Fortsetzungen.
    Das erste, auf das ich stieß, war eine Anleitung zur Elfenbeinschnitzerei.
    »Nichts ist aparter«, las ich, »als ein Geschenk aus Elfenbein, noch dazu, wenn es von der Hand der Liebsten oder des Liebsten selbst gefertigt ist. Welch köstliche Gabe in einer Zeit, da Maschine und Auto immer seltener feinsinnige Äußerungen des menschlichen Herzens gestatten. Man nehme —«
    Nein, ich nahm nicht. Auch nicht auf die Verheißung hin, daß man praktisch alles aus Elfenbein schnitzen könne, angefangen vom Elefanten bis zum Fingerhut.
    Der zweite Tip betraf ein Handbuch über chinesische Tuschmalerei, ein Geschenk, das besonders für kunstverständige und zartbesaitete Damen
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