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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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empfohlen wurde. Isabell war weder sonderlich kunstverständig noch zartbesaitet. Ihr Charakter ließ eher befürchten, daß sie mir die Tuschmalerei an den Kopf schlagen würde. Auch den Rat, es mit Bibelsprüchen auf handgeschöpftem Büttenpapier zu versuchen, empfand ich wenig überzeugend. Als ich schließlich las, welche Freude ein Kochbuch für westindische Fischspezialitäten auslösen müsse, brachte ich die Zeitungen wieder ins Archiv.
    Es gab keinen Zweifel mehr, ich war auf mich selbst angewiesen.
    Ich begann, sorgfältig sämtliche Auslagen der Innenstadt zu studieren, ständig in der Hoffnung, auf diese Weise die ersehnte Inspiration zu empfangen. Kein Gegenstand, den ich nicht in Erwägung gezogen hätte, angefangen von den elektrischen Kaffeemühlen und Abwaschhilfen über die neuesten Klassikerausgaben bis zu den unzerreißbaren Nylonhöschen. Je mehr ich sah, desto geringer wurde die Aussicht, zu etwas Passendem zu kommen.
    Trost, wenn auch keine Hilfe, war der Anblick unzähliger Schicksalsgenossen, die gleich mir von einem Geschäft zum anderen irrten. Nie werde ich die Augenblicke stiller Straßenkameradschaft vergessen, wenn wir, etwa vor einem Hutsalon, einander hilflos in die Augen blickten, verlegen auf die Gebilde hinter den Glasscheiben zeigten und murmelten: »Man sieht es ja, das Gute ist längst weg.« Eine halbe Stunde später, wenn man sich dann vor dem Handschuhladen wieder traf, war es bereits so, als begegnete man einem alten, lieben Freund, der es in der Zwischenzeit ebensowenig weiter gebracht hatte wie man selbst. Ein kurzes »Trostlose Weihnachten« oder ein »So was von mieser Produktion« waren Abschied und unverbindliches Versprechen zugleich, vor dem Parfümeriegeschäft wieder aufeinanderzustoßen.
    Ich verfiel zusehends. Wenn ich nur das Wort Weihnachten hörte, und man hörte es tausendmal am Tag, bekam ich die Gänsehaut. Wo waren die einfachen Jahre der Nachkriegszeit, da es nicht darauf ankam, was man bekam, sondern nur, daß überhaupt!
    In einem Anfall von Panikstimmung beschloß ich, mich der Willkür des Verkaufspersonals zu überlassen. Das sah folgendermaßen aus:
    Schauplatz: Ein kleines Geschäft für Damenmoden. Handelnde Personen: Ein Verkäufer, eine Verkäuferin, meine Wenigkeit. Zeit: 8.15 Uhr.
    Ich (forsch eintretend): »Etwas für eine junge Dame!«
    Er: »Für die Frau Gemahlin?«
    (Peinliches Schweigen.)
    Er (mich zu den Regalen mit den kostbaren Modellen drängend): »Aha!«
    Sie (von der anderen Seite): »Was darf es sein?«
    Er: »Ein Cocktailkleid?«
    Sie: »Ein Abendkleid?«
    Er: »Ein Jackenkleid?«
    Sie: »Etwas für den Tag?«
    Er: »Etwas für den Abend?«
    Ich (fest): »Ich möchte ein Cocktailkleid.«
    (Begeisterte Zustimmung auf beiden Seiten.)
    Er: »Welche Größe soll es sein?«
    Ich: »Hm!«
    Sie (drängend): »Ungefähr!«
    Ich: »Hm!«
    Er: »Ist die Dame schlank?«
    Sie: »Oder vollschlank?«
    Ich (mit den Händen Isabells Konturen nachzeichnend): »So etwa!«
    Er (zwei Modelle von der Stange gabelnd, in die ein Schwerathlet gepaßt hätte): »Das Exklusivste, was wir haben.«
    Ich (reserviert): »Wohin denken Sie, mein Herr?«
    Er (unsicher): »Aber Sie haben doch —«
    Ich (meine Zeichenübungen hastig wiederholend): »So, mein Herr, so! Und nicht so!«
    Er (zwei andere Modelle vorlegend): »Natürlich! Selbstverständlich.«
    Ich (verzweifelt): »Die Dame ist aus dem Kindergarten heraus!«
    Er (zu seiner Kollegin, resigniert): »Versuchen Sie es, Irmgard! Ich kann mich mit dem Herrn nicht verständigen.«
    Sie (sanft, beruhigend, wie man einem Kind zuredet, dem trotz wiederholter Versuche der Milchreis nicht schmecken will): »Wir wollen nichts überstürzen. Wir wollen ganz ruhig und sachlich überlegen. Wir haben ja Zeit, nicht wahr? Wir brauchen keine Angst zu haben, daß wir nicht das Passende finden, Wir wollen alles ganz freundschaftlich ausreden.«
    Ich (mit einem Blick auf die Tür): »Wenn Sie gestatten — ich meine, sicher ist es besser, wenn ich ein anderesmal — ich meine, wenn ich vorerst noch einmal mit der Dame rede —«
    Er und Sie (alarmiert, mit höchster Aktivität): »Um Gottes willen! Sie wollen doch überraschen — Sie wollen doch Freude bereiten — wir beraten Sie doch — dazu sind wir doch da — «
    Ich: »Gewiß, gewiß, aber — «
    Er (mir ein Modell in die linke Hand drückend): »Sehen Sie das!«
    Sie (mir ein Modell in die rechte Hand drückend): »Und das!«
    Er (mir ein Modell in die linke
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