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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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Wesens und meiner Stellung als politischer Redakteur an einer führenden Tageszeitung eine großartige Eroberung zu machen. Bis, ja, bis ich dahinterkam, daß ich nicht der einzige Glückliche war.
    Zunächst war ich gekränkt. Dann kam ich mir albern vor. Hatte ich mich doch hinreißen lassen, alle anderen Verbindungen zu vernachlässigen und einer Weltanschauung zu huldigen, die ich bisher nicht tief genug verachten konnte: der Einseitigkeit.
    Ich faßte spontan den Entschluß, diesen falschen Pfad so schnell wie möglich wieder zu verlassen.
    Es war höchste Zeit. Mein Zustand war bereits problematisch geworden. Ich schlief schlecht. Ich träumte unruhig, und ich verlor meinen Appetit. Außerdem litt ich an Depressionszuständen, die unvermutet in hektische Lustigkeit umschlugen. Dann widerstand ich nur mit Mühe der Neigung, mich auf der Straße in meinen Hut zu setzen oder bei rotem Licht über die Kreuzung zu laufen. Gar nicht zu reden von dem Knieschlottern, das mich ausgerechnet dann überfiel, wenn ich ihr die Meinung sagen oder diktieren wollte.
    Meine Hoffnung, daß diesen Symptomen nicht gerade die gefährlichste aller Krankheiten zugrunde liegen würde, erwies sich als Illusion. Es war die gefährlichste. Es war Verliebtheit, noch dazu in bösartigster Form.
    So richtig die gestellte Diagnose, so falsch war die angewandte Therapie.
    Der erste Versuch war eine Radikalkur. Ich beschloß, das Gift mit Gegengift zu bekämpfen: mit »blondem Gegengift«.
    Zwei Injektionen genügten, um daraufzukommen, daß mein Herz nicht mehr kräftig genug war. Das einemal kam ich gelangweilt schon vor Mitternacht nach Hause, das anderemal hielt ich zwar bis zum Morgengrauen durch, zog aber den Alkohol so offensichtlich meiner Gefährtin vor, daß diese wiederum einem Waschmaschinenvertreter den Vorzug gab, der ihre Reize besser zu würdigen verstand.
    Ernüchtert stürzte ich mich in die Arbeit. Ich tauchte zum Entsetzen des Portiers, der die Pünktlichkeit meiner Unpünktlichkeit für meine faszinierendste Eigenschaft hielt, jeden Morgen bereits zu einer Zeit in der Redaktion auf, da die Reinemachefrau noch meine Post zu lesen pflegte.
    Die Mittagspause wurde völlig gestrichen. Die Abende waren politischen Versammlungen gewidmet. Unsere freien Mitarbeiter, die auf Honorar schrieben, beschwerten sich, daß sie keine Aufträge mehr bekämen. Die Kollegen überhäuften mich mit Vorwürfen, daß ich ihre Arbeitsbedingungen verschlechtere. Was ich freiwillig leiste, werde der Chef eines Tages auch von ihnen verlangen. Überhaupt sei mein Vorgehen gerade jetzt, da die Journalisten-Gewerkschaft mit den Zeitungsherausgebern über eine Herabsetzung der Arbeitszeit verhandle, in besonderem Maß verantwortungslos. Andere verdächtigten mich sogar, vom Verleger bestochen zu sein. Sie verlangten meinen Ausschluß aus der Gewerkschaft.
    Auch der Chef erteilte mir einen Rüffel. Er lobte zwar meinen Eifer, versicherte aber gleichzeitig, daß an eine Gehaltserhöhung nicht zu denken sei. (Seitdem er Chefredakteur geworden ist, verdienen seiner Meinung nach alle Redakteure zuviel.) Außerdem gab er mir zu verstehen, daß er nicht die Quantität, sondern die Qualität schätze. Kurz: ich hätte noch nie eine solche Menge Unsinn geschrieben. Wo denn meine klaren und vernünftigen Gedanken geblieben seien?
    Der dritte Versuch war tiefenpsychologischer Natur. Ich versuchte zu ergründen, was an Isabell schon Besonderes dran sei. Ich zergliederte ihr attraktives Persönchen derart gründlich, daß mir Vernunft und Kaltblütigkeit völlig abhanden kamen. Die Beschränkung auf ihre moralischen Qualitäten war ebenfalls ein Schlag ins Wasser. Ich versuchte, in der Verwaltung einige Bekannte auszuholen, von denen ich annahm, daß sie etliche dunkle Punkte aus ihrer Vergangenheit aufdecken könnten. Da ich keine direkten Fragen stellen konnte und
    diplomatisch vorgehen mußte, erhielt ich auch nur diplomatische Auskünfte. Und das war soviel wie nichts, im übrigen wußte ich, daß ein Mann für gewöhnlich über das, was er von einer Frau weiß, zu schweigen, und nur über das, was er nicht weiß, zu reden pflegt.
    Was mir blieb, war nur noch die Flucht nach vorne. Ich probierte das Ganze ein paarmal vor dem Spiegel. Es klappte ausgezeichnet.
    Ich: »Ich weiß alles!«
    Sie (erbleichend): »O Gott!«
    Ich: »Du bist eine Kokotte!«
    Sie: »Ich schwöre dir —«
    Ich (mit durchbohrendem Blick): »Ha! Du leugnest?«
    Sie: »Ich
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