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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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einander nicht ausschließen (siehe den Oberst!). Sechzig jährige, die noch das Herz eines Backfisches zu entflammen vermögen, sind keine Seltenheit. Doch umgekehrt? Wo sind die sechzig jährigen Damen, die in zwanzigjährigen Jünglingen leidenschaftliche Gefühle erwecken?
    Viel schlimmer war es, daß Frauen dazu neigten, sich in bestürzender Weise auch geistig zu verändern (siehe die Frau Oberst!). Schon die Antike kennt die Gestalt der Xanthippe. Sie kennt aber auch die Gestalt ihres Ehemannes, des unter der Zanksucht seines Weibes leidenden Sokrates. Der bedauernswerte Philosoph starb an Gift, das zu trinken ihn ein Athener Gericht wegen angeblicher Verführung der Jugend zwang. Der Mann soll gefaßt und freudig gestorben sein.
    Hm! Vielleicht, daß die große Liebe die klaffenden Abgründe zwischen Mann und Frau überbrückt?
    Die große Liebe! Hier fehlen die Aufzeichnungen. Alle Romane und Filme enden mit der Tatsache, daß sie sich kriegen, so, als wäre damit die schwierigste Hürde genommen. Was nachher kommt, verschweigen die Dichter. Und die praktischen Beispiele sind wenig ermutigend.
    Wenig ermutigend? Sie sind niederschmetternd!
    Nein! Niemals!
    Ich war kein Sokrates. Ich war kein Philosoph. Ich war ein Praktiker.
    Nie — nie — nie — niemals!
    »Sie gestatten, daß ich die Redaktion anrufe und mich entschuldige«, sagte ich zur Frau Oberst, die wie eine Schildwache im Flur auf meine Auferstehung gewartet hatte.
    »Sie können sich die Mühe sparen«, erwiderte sie frostig. »Ihre Vorgesetzte Dienststelle ist bereits unterrichtet.«
    »Sie haben mich verpfiffen?« stotterte ich.
    »Ich bin keine Denunziantin«, sagte sie empört.
    »Ja, aber — «
    »Vielleicht machen Sie sich klar, daß es außer mir noch andere Menschen gibt, die nicht viel von Ihnen halten.«
    Ich wußte aus Erfahrung, daß es am besten war, so etwas zu überhören.
    »Dann haben Sie die Güte, mir endlich zu sagen, was geschehen ist.«
    »Geschehen? Nichts ist geschehen! Leider! Man hat lediglich angerufen und Ihnen baldige Genesung wünschen lassen.«
    » Ge-Genesung? «
    »Jawohl, Genesung«, sagte sie sarkastisch. »Außerdem hat die Dame gemeint, Sie sollten unbedingt im Bett bleiben. Blähungen seien in Ihrem Alter eine Sache, mit der man nicht spaßen dürfe.«
    »Frau Oberst!« rief ich energisch.
    Sie blieb ungerührt: »Der Chefredakteur läßt Ihnen lauwarmen Kamillentee und eine heiße Wärmflasche empfehlen.«
    Es war unverkennbar, daß sie mein Gesicht für alles entschädigte, was ich ihren Generalsköpfen angetan hatte.
    »Nun, wieder gesund?« fragte mich Isabell am Abend.
    »Ich war nie krank!« sagte ich kalt.
    »Ach, ich dachte, ich müßte dir aus der Patsche helfen.«
    »Vielen Dank«, erwiderte ich steif. »Wenn du wieder einmal kameradschaftliche Regungen spüren solltest, wäre es besser, du wähltest eine andere Ausrede.«
    »Etwa?«
    »Du hättest sagen können, ich litte an Zahnschmerzen — oder an einer Erkältung. An etwas anderem jedenfalls als an — na ja!«
    »Sieh einer an! Der Herr ist empfindlich!«
    »Ich bin nicht empfindlich, ich bin sachlich.«
    »Ich fand meinen Einfall großartig.«
    »Aber es paßt nicht zu mir. Diesen Unsinn hat dir doch kein Mensch geglaubt.«
    »Ganz im Gegenteil«, sagte sie eifrig, »ganz im Gegenteil! Du hättest sehen sollen, wie man dich bemitleidete. Ich wußte gar nicht, daß du so beliebt bist. Vor allem bei den Kolleginnen. Die Tippse vom Chef meinte sogar, sie hätte immer den Eindruck gehabt, daß du dazu neigtest.«
    Wir gingen in das nächste Espresso.
    »Einen doppelten Cognac«, sagte Isabell heiter.
    »Ein Glas Mineralwasser!« knurrte ich.
    Verdrossen beobachtete ich die halbwüchsigen Pärchen, die an den Tischen herumlungerten und einsilbig auf ihr Coca-Cola starrten, während die Musikbox einen amerikanischen Song plärrte. Sie schwiegen, weil sie sich nichts zu sagen hatten. Das war natürlich. Wir schwiegen, weil wir uns zuviel zu sagen hatten. Das war noch natürlicher.
    »Wir waren gestern abend wohl sehr betrunken, findest du nicht?« begann ich vorsichtig.
    »Du solltest nicht verallgemeinern. Ich hatte einen süßen kleinen Schwips.«
    Pause.
    »Du erinnerst dich, was wir gesprochen haben?« tastete ich mich weiter.
    »An jedes Wort!«
    »Hm!«
    »Ist dir das unangenehm?«
    »Unangenehm?--Ach--nein, nein!«
    Pause.
    »Du denkst vielleicht, ich könnte mich weniger gut erinnern?« begann ich von neuem.
    »Nein. Warum auch?«
    »Nun,
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