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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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zufrieden. Zwei weitere Runden gingen ohne besondere Vorkommnisse vorüber.
    Bei der fünften verkündete ich: »Ich halte den Augenblick für gekommen, ein neues Leben zu beginnen.«
    Sie sah mir aufmunternd in die Augen.
    »Seien wir doch offen«, fuhr ich aufgeräumt fort, »wir haben beide unsere kleinen Erlebnisse. Was mich selbst betrifft, muß ich allerdings sagen, daß selbst diese kleinen Erlebnisse so spärlich — «
    »Du wirst doch keine Beichte ablegen wollen?«
    »Sie sind begraben«, erwiderte ich hastig. »Entscheidend ist, was kommt!«
    »Und das wäre?«
    »Du wirst aufhören, mit anderen Männern zu flirten. Du wirst, wenn ich zu arbeiten habe, in den Klassikern lesen oder eine Tante besuchen. Du wirst mir über jede Sekunde, die du allein warst, Rechenschaft ablegen. Du wirst auf deine Lippen etwas weniger Rouge auflegen und deine Fingernägel zwischendurch auch mit einem farblosen Lack behandeln. Du wirst dich auf den Barhockern so plazieren, daß nicht jeder Mann deine Beine anstarren kann. Du wirst im Sommer etwas weniger ausgeschnittene Kleider und im Winter etwas größere Pullis tragen. Du wirst meine Talente bewundern und mich anbeten. Du wirst dich in Unterordnung und Entsagung üben. Du wirst auch sonst noch einige Dinge tun, die mir im Augenblick nicht einfallen, von denen ich dich aber rechtzeitig in Kenntnis setzen werde.«
    »Ist das alles?«
    Ich nickte: »Im übrigen lasse ich dir selbstverständlich alle Freiheiten!«
    »Einverstanden!« sagte sie ruhig. »Nur —«
    »Nur?«
    »Wie wäre es, wenn wir auch einmal von dir sprächen?«
    »Ach, von mir«, sagte ich bescheiden. »Meine Person ist nicht der Rede wert.«
    »Ganz im Gegenteil. Du bist die Hauptperson!«
    »Wenn du meinst?«
    Sie meinte es.
    »Du wirst aufhören, mit anderen Frauen zu flirten«, sagte sie. »Du wirst, wenn ich zu arbeiten habe, dich beruflich fortbilden, damit du mehr Geld verdienst. Du wirst mir über jede Sekunde, die du allein warst, Rechenschaft ablegen. Du wirst deine Hemden nicht mehr so lange tragen, bis die Knöpfe abfallen und die Bestimmung der Grundfarbe nur mehr Glückssache ist. Du wirst dir einen neuen Hut anschaffen und den alten in den Mülleimer werfen. Du wirst aufhören, so viel Cognac zu trinken und zu behaupten, du müßtest damit deine
    Bronchitis kurieren. Du wirst deinen Zigarettenkonsum auf die Hälfte herabsetzen. Du wirst deine Zigarettenstummeln nicht mehr auf den Teppich, sondern in den Aschenbecher werfen. Du wirst aufhören, Schulden zu machen und zu erklären, das sei heutzutage die sicherste Kapitalanlage. Du wirst meine Launen süß, meine Wünsche bescheiden und meine Ansprüche berechtigt finden. Du wirst dich in Galanterie üben und mir zu Füßen liegen. Du wirst auch sonst noch einige Dinge tun, die mir im Augenblick nicht einfallen, die ich aber schon demnächst bestimmen werde.«
    Mich überfiel ein solches Schlottern, daß ich den Kellner bitten mußte, den Ventilator abzustellen.
    »Nun?« fragte sie strahlend.
    Ich hatte nicht gewußt, welche Schwierigkeiten man mit seiner Muttersprache haben kann.
    »Im übrigen lasse ich dir selbstverständlich ebenfalls alle Freiheiten«, ergänzte sie.
    »Okay«, murmelte ich, in der törichten Hoffnung, daß es auf englisch weniger schlimm sein würde.
    Isabell hob mir ihr Glas entgegen: »Gut! Dann nehme ich deinen Heiratsantrag an!«

2

    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es nicht mehr Morgen. Ein Blick auf die Uhr belehrte mich, daß mein Dienst vor zwei Stunden begonnen hatte. Offenbar war es nur einem glücklichen Umstand zuzuschreiben, daß ich überhaupt zu mir gekommen war.
    Der glückliche Umstand meldete sich umgehend zu Wort.
    »Endlich! Es war mein neunter Versuch, Sie wach zu kriegen.«
    Der glückliche Umstand war die Frau Oberst, meine Zimmerfrau.
    »Herzlichen Dank«, murmelte ich. »Schreiben Sie es zur Milchrechnung! «
    Sie stand in ihrem schwarzen Taftkleid (sie hatte einen ganzen Kasten voll davon), steif wie ein preußischer Grenadier, vor meinem Bett und betrachtete mich durch ihr Lorgnon mit einer Verachtung, wie sie nur ein Frühaufsteher jemandem gegenüber aufbringen kann, der sich noch zu Mittag im Bett wälzt.
    »Haltlos, unmännlich und ohne Würde«, stellte sie fest. »Sie sollten sich schämen!«
    Nichts lag mir in diesem Augenblick ferner als das. Was ich brauchte, war ein klarer Kopf. Immer, wenn ich ihr strenges Gesicht ins Auge faßte, verschwammen ihre Züge in hoffnungslosem
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