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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Knie ging. Ein Stoß vor die Brust richtete mich wieder auf Überlebensgroße auf. Unsere Konversation war dürftig, da er einen so schauerlichen Dialekt sprach, daß wir einander trotz mehrmaliger Bemühungen nicht verstanden.
    Zum Abschluß bat mich Papa mit feierlicher Miene in sein Arbeitszimmer.
    »Einen Cognac?« leitete er das Gespräch ein.
    Ich nickte schwach, während ich in einem Ohrenfauteuil versank.
    »Sehr zum Wohl, mein lieber Sohn«, sagte er gerührt.
    »Sehr zum Wohl, lieber Papa« sagte ich.
    »Die Familie«, fuhr er würdevoll fort, »hat Sie mit großer Herzlichkeit als einen der Ihren aufgenommen. Ich hoffe, Sie werden sich bei uns wohl fühlen.«
    Ich versicherte ihm, daß daran keine Zweifel bestünden.
    »Es bleiben also nur noch die Details für morgen zu besprechen«, meinte er.
    »Wenn es Ihnen recht ist, lasse ich gleich am frühen Morgen den Rest meines Gepäcks durch einen Dienstmann herüberschaffen.«
    »So hat mich meine Tochter unterrichtet. Doch wie stellen Sie sich die Details vor?«
    »Die Details?«
    »Nun ja, fahren Sie mit Ihrem eigenen Wagen oder ziehen Sie ein Taxi vor?«
    »Ich denke, ich nehme Filippo«, sagte ich unsicher.
    »Filippo?«
    Ich erklärte ihm, was es damit für eine Bewandtnis hatte.
    »Dann würde ich es für angebracht halten«, schlug er vor, »daß Sie den Wagen ein wenig mit Blumen schmücken. Das ist so üblich.«
    Ich machte einen angestrengten Versuch, aus dem Bauch des Sitzmöbels an die Oberfläche zu kommen: »Ich habe Sie wahrscheinlich nicht richtig verstanden. Sagten Sie Blumen?«
    »Gewiß. Oder finden Sie das zu altmodisch?«
    Ich schüttelte hastig den Kopf und überlegte, ob ihn mein bevorstehender Einzug um den Verstand gebracht hatte.
    Laut sagte ich: »Nein, ganz und gar nicht.«
    »Vermutlich bringen Sie gleich Ihren Freund mit?«
    Jetzt war es sonnenklar. Mein Schwiegervater war übergeschnappt.
    »Wenn Sie meinen?« sagte ich leise.
    »Kommen Sie nur nicht zu spät«, warnte er. »Eine halbe Stunde später sind bereits die nächsten dran.«
    Ich blickte ängstlich zur Tür. Das wurde ja immer toller.
    »Und nun die Einteilung«, sagte er. »An der Spitze fahren Sie mit meiner Frau und Ihrem Freund. Dann kommen die Autos von Onkel Josef, Onkel Otto und Onkel Cornelius. Meine Tochter und ich bilden die Nachhut.«
    »Jaja«, stammelte ich. »Genau so. Onkel Josef, Onkel Otto und Onkel Cornelius. Genau so, lieber Papa.«
    Ich spürte, wie mir das Hemd am Körper klebte.
    »Vom Standesamt fahren wir dann alle wieder hierher zurück«, setzte er fort.
    »Vom Sta — Standesamt?« lallte ich und krallte mich an der Lehne meines Stuhles fest.
    »Ist Ihnen nicht gut?« fragte Papa besorgt.
    »Ich weiß selbst nicht«, lispelte ich. »Wenn Sie vielleicht den letzten Satz wiederholen wollten. Ich habe so ein Sausen in den Ohren.«
    »Ich sagte«, wiederholte Papa geduldig, »daß wir zunächst vom Standesamt hierher zurückkehren wollen.«
    Also doch. Es war kein Irrtum. Ich hatte richtig gehört.
    »Ja aber«, sagte ich in heller Angst, »ich bin, das heißt Isabell und ich sind ja bereits —«
    Er sah mich verständnislos an: »Wie meinen Sie?«
    »Nichts«, murmelte ich, »gar nichts.«
    »Ist Ihnen noch immer nicht besser?«
    »Doch. Das Sausen läßt langsam nach.«
    Mit neuem Elan entwickelte er seinen Plan: »Wir nehmen hier einen Aperitif und fahren hierauf ins Continental. Ich habe dort einen Raum reservieren lassen und ein Souper für vierundzwanzig Personen bestellt. Die Kosten trage selbstverständlich ich als Brautvater.«
    Der arme Mann, dachte ich. Bald wird er auch die Kosten für meinen Aufenthalt in der städtischen Heil- und Pflegeanstalt zu tragen haben. Mein Konterfei würde nie im Familienalbum kleben. Ich würde mit Schaudern im gleichen Atemzug mit dem liederlichen Onkel und der Tante mit dem Zirkusreiter genannt werden.
    Ich hörte nicht mehr, was er sonst noch sagte. Mir war, als befände ich mich im Maschinenraum eines Ozeandampfers. Ich füllte lediglich seine Satzpausen mit einem mechanischen Ja oder Nein.
    »Viel, viel Glück«, hörte ich ihn mit einemmal sagen und bemerkte, daß er aufgestanden war.
    Ich sprang ebenfalls auf die Beine: »Herzlichen Dank.«
    Ich begriff, daß ich entlassen war.
    Im Salon torkelte ich an den schwatzenden Tanten und Onkeln vorbei, nur von dem Gedanken beseelt, in Isabells Zimmer zu entkommen, wo ich eine Cognacflasche wußte. Nachdem ich sie auf
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