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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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es werde ihr gelingen, aus Ihnen einen ordentlichen Menschen zu machen. Sie haben mich enttäuscht.«
    Eine Stunde später zog ich ins Hotel.

20

    Eines Tages, Isabell hatte noch immer nicht mit ihren Eltern gesprochen, ließ mich der Chefredakteur rufen. Er bot mir Zigaretten und Kaffee an, ein Zeichen, daß er in einer heiklen Mission tätig war.
    »Beschwerden?« fragte ich.
    Er wiegte bedächtig seinen dicken Biberkopf. »Ja und nein, mein Sohn.«
    »Welcher Minister?« forschte ich weiter.
    »Es ist nichts Politisches.«
    »Nichts Politisches?« Ich setzte meine Tasse Kaffee ab. Seitdem ich dieser Redaktion angehörte, war die Quelle aller Aussprachen und Übel noch immer die Politik gewesen.
    Der Chefredakteur versuchte, in seinem Sessel hin- und herzurücken, was ihm aber nicht gelang, da er schon Mühe hatte, mit einem gewissen Körperteil überhaupt in den Sessel hineinzukommen.
    »Was ich mit Ihnen zu bereden habe, mein Sohn, trägt rein privaten Charakter«, schnaufte er.
    Ich verfärbte mich. Private Dinge pflegten für gewöhnlich besonders unangenehm zu werden.
    »Sie wissen, ich bin nicht prüde«, begann er mit weitausholender Gebärde.
    Ja, das wußte ich.
    »Ich habe vor allem für amouröse Affären das größte Verständnis.« Ja, das wußte die ganze Redaktion.
    »Was mir aber über Sie zugetragen wird«, seufzte er bekümmert, »übersteigt die Grenzen dessen, was ich meinen Mitarbeitern zubilligen darf.«
    Ich überlegte blitzartig, auf was er wohl hinauswollte. Für alle Fälle schien zunächst eine hinhaltende Antwort angebracht.
    »Ich wüßte wirklich nicht, womit ich mir Ihr Mißfallen zugezogen haben könnte«, sagte ich.
    »Nicht mein persönliches Mißfallen«, versicherte er, »aber ich bin verpflichtet, das Ansehen unseres Verlages im Auge zu haben.«
    »Schießen Sie los«, sagte ich ungeduldig. »Was wird mir vorgeworfen?«
    Direkte Fragen waren ihm grundsätzlich unangenehm. Wie
    ich ihn kannte, hätte er sich eine Zeitlang noch gerne in allgemeinen Erörterungen und Andeutungen gefallen.
    »Ja, wenn Sie den Stier so energisch bei den Hörnern packen«, murmelte er, während er in seinen Papieren kramte, die nach einem genauen Plan über den Tisch zerstreut waren.
    Dann platzte er heraus: »Sie haben Ihre Wohnung aufgegeben?«
    »Mein Untermietzimmer«, korrigierte ich.
    »Sie wohnen jedenfalls nicht mehr dort, wo Sie bisher gewohnt haben?«
    »So ist es.«
    »Darf ich Sie fragen, wo?«
    Ich nannte das Hotel.
    »Also doch«, sagte er melancholisch. Und nach einer Pause noch einmal: »Also doch.«
    Ich sah ihn fassungslos an: »Ist das ein Verbrechen?«
    »An sich nicht. Aber warum haben Sie Ihre alte Wohnung —«
    »— Untermietzimmer.«
    »— Ihr altes Untermietzimmer aufgegeben?«
    »Ich habe mich mit meiner Hausfrau zerstritten.«
    »Also doch.«
    »Ich denke, auch das ist kein Verbrechen.«
    »An sich nicht. Aber warum sind Sie ausgerechnet in dieses Hotel gezogen?«
    »Weil es meiner finanziellen Lage am ehesten entspricht«, sagte ich bitter.
    »Also doch.«
    Dieses »also doch« machte mich langsam verrückt.
    »Wenn Sie darin das Verbrechen erblicken sollten«, sagte ich aggressiv, »dann liegt es auf seiten des Verlages, der mich so schlecht bezahlt, daß ich mir kein besseres Quartier leisten kann.«
    Er winkte besänftigend ab.
    »Man erzählt mir«, flüsterte er, »daß Sie mit einer — na ja, mit einer — sagen wir, mit einer etwas zweifelhaften Dame ein Verhältnis haben —«
    »Mein Herr!«
    »Das erzählt man mir«, fuhr er noch leiser fort, als könnte er damit das Schreckliche mildern. »Man erzählt mir weiter, daß Sie diese Dame des Nachts wiederholt in Ihre Wohnung — in Ihr Untermietzimmer mitgenommen haben und deshalb von
    Ihrer Hausfrau hinausgeworfen wurden. Man erzählt mir außerdem, daß Sie — der Einfachheit halber — hierauf in Ihr jetziges Quartier zogen, wo solche Damenbesuche — hm, na ja, zum Geschäft gehören.«
    Ich war sprachlos.
    »Tatsächlich hat das Hotel, in dem Sie wohnen, einen solchen Ruf, daß es als Quartier für einen Angestellten des Hauses untragbar ist.«
    »Das — das ist doch nicht möglich«, stotterte ich. »Das Hotel ist zwar überaus schäbig, aber — nein, daß es ein —«
    Es war unverkennbar, daß er mein Erstaunen für eine reine Spiegelfechterei hielt.
    »Ich werde sofort ausziehen«, sagte ich resigniert.
    »Das wollte ich von Ihnen hören«, sagte er befriedigt.
    Mit einemmal kam mir die Niedertracht
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