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Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition)
Autoren: Ursula Neeb
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Prolog
    Um die missmutige Stimmung seiner schönen Herrin ein wenig zu heben, hatte er an diesem Abend die Laute herbeigeholt und sich zu ihren Füßen auf dem Boden niedergelassen.
    »Was darf ich Euch aufspielen, Herrin?« Ergeben blickte der junge Mann mit dem schulterlangen kupferfarbenen Haar zu dem hohen Lehnstuhl auf.
    Die Frau mit den engelhaften Gesichtszügen zuckte unwillig mit den Schultern und fuhr ihn an: »Was weiß denn ich? Spiel Er doch, was Er will!«
    Während er sein Instrument stimmte, besann er sich kurz. Er würde eines seiner Lieblingslieder spielen, »Du süße, holde Herrin mein«. Es stammte aus der Feder des berühmten Minnesängers Ulrich von Lichtenstein, den er zutiefst bewunderte. Nachdem er die ersten Töne der melancholischen alten Weise angestimmt hatte, fing er mit wohltönender Stimme an zu singen:
»Sie war von hoher Art geboren,
sie war so schön und gut, so keusch und rein,
sie war in allen Tugenden vollkommen,
ihr Knecht wollt ich für immer sein …«
    »Genug!«, unterbrach sie ihn gereizt. »Du langweilst mich. Ich möchte ein Bad nehmen und dann zu Bett gehen.«
    Er verstummte augenblicklich, legte die Laute beiseite und erhob sich. »Sehr wohl, Herrin. Ich werde alles richten«, erwiderte er unterwürfig und verneigte sich, ehe er den Raum verließ.
    Nachdem die Mägde kübelweise heißes und kaltes Wasser in die Badestube getragen hatten, verwandte er einige Sorgfalt darauf, dem Badewasser die richtige Temperatur zu geben. Wenn es nicht wohltemperiert war, setzte es Schläge. Schon manche Reitgerte hatte die Herrin an ihm zerschlagen, weil ihr das Bad nicht recht gewesen war. Aber das war bei weitem nicht das Schlimmste, was ihm in all den Jahren widerfahren war, seitdem er im Alter von zwölf Jahren den Frauendienst bei ihr angetreten hatte. Von Anfang an hatte ihm seine gestrenge Herrin die unglaublichsten Prüfungen auferlegt. Zur Belustigung ihrer Gäste musste er sich zuweilen als Kammerzofe oder als Hanswurst verkleiden. Manchmal, vor allem während der größten Sommerhitze, stand ihr gar der Sinn danach, dass er sich ein zotteliges Fellkleid überzog, auf allen vieren ging und sämtliche Gehorsamsübungen vollführte, die ein gut abgerichteter Jagdhund zu beherrschen hatte. Das Schrecklichste aber war, wenn er sich am Karfreitag unter die Aussätzigen mischen musste, denen es an diesem Tag erlaubt war, auf der Mainbrücke zu betteln.
    In alledem sah er jedoch seine Bestimmung, und es gab nichts, was er nicht für sie getan hätte.
    Immer wieder hielt er den Ellbogen in die Wanne und befand die Wassertemperatur schließlich für angemessen. Sie hatte eine so unglaublich zarte Haut, weich und empfindlich wie die eines Säuglings. Er goss ein ordentliches Quantum Rosenöl ins Wasser und ließ der Herrin durch eine der Mägde bestellen, das Bad sei gerichtet.
    Als die Holde wenig später in der Badestube erschien, half er ihr beim Auskleiden und rückte die hölzerne Trittstiege vor den Zuber. Auf seinen Arm gestützt, stieg sie mit elfenhafter Anmut ins Bad und sank mit einem wohligen Seufzer ins Wasser. Er wusch den grazilen Körper seiner Herrin mit einem großen, weichen Meeresschwamm, den er bei einem Händler aus dem Orient erstanden hatte. Nach dem Bade trocknete er sie behutsam ab, kleidete sie in ein seidenes Nachtgewand und kämmte ihr das hüftlange goldene Haar mit einem Kamm aus Elfenbein. Anschließend geleitete er sie in ihr Schlafgemach, wo er ihr die Daunenkissen aufschüttelte und das Bett aufdeckte. Nachdem sie in das Bett geschlüpft war, deckte er sie zu. Ehe er sich aus dem Schlafgemach entfernte, küsste er ihre Hand und wünschte ihr eine gesegnete Nacht.
    Später räumte er in der Badestube die Waschutensilien weg, beugte sich hinab und trank in großen Zügen von ihrem Badewasser. Zum Abschluss entfernte er mit zärtlicher Geste die einzelnen Haare aus dem Kamm und verwahrte sie sorgfältig in einer kostbaren Reliquienkapsel, die er am Gürtel trug.

1
    Samstag, 16. Juli 1511
      Die mechanische Räderuhr am Römerrathaus hatte gerade die zehnte Stunde geschlagen, als die »angemalte Rosi« mit einem Krug Wein in der Hand die Treppe hinaufstieg. Ihr rundes, stark geschminktes Gesicht glänzte, und die Augen waren gerötet. Sie hatte die Nase gestrichen voll von Freiern und dem Rest der Welt und wollte sich in ihrer Kammer nur noch in Ruhe besaufen.
    In der vergangenen Nacht hatte sie kein Auge zugetan vor Gram – wegen Josef, diesem
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