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Hinter der Tür

Hinter der Tür

Titel: Hinter der Tür
Autoren: Henry Slesar
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Versicherung geben, daß sich dort oben keine Dämonen herumtrieben. Beim drittenmal hatte sie die bebende Gail in die Arme geschlossen und die Erscheinung einem Traum zugeschrieben.
    Als sie Dr. Vanner von dem seltsamen Phänomen erzählte, hatte er ihr mit ernstem Interesse zugehört und dann gefragt, ob es ihr je in den Sinn gekommen sei, der Sache selbst nachzugehen.
    »Ich wußte ja gar nicht, ob es da etwas gab, dem man auf den Grund gehen konnte«, sagte sie. »Ich meine, ich weiß durchaus, daß da gar nichts ist…«
    »Das wissen Sie nur aus zweiter Hand«, sagte Van- ner. »Deshalb haben Sie die Erklärung nie wirklich akzeptiert.«
    »Aber doch!«
    »Warum haben Sie dann solche Angst, wenn Sie die Geräusche hören? Warum ist das jedesmal ein besonderer Augenblick in Ihrem Leben? Liegt es nicht daran, daß Sie nie den Mut gehabt haben, sich mit eigenen Augen zu überzeugen?«
    Sie dachte über diese Worte nach, während sie um Viertel nach zwei aufrecht im Bett saß und auf eine Wiederholung dessen wartete, was da nachts über ihrem Kopf bumste.
    Sie hörte es zum drittenmal.
    Sie hatte Angst, aber sie wußte, was sie tun mußte. Anstatt Mrs. Bellinger zu rufen, stieg sie aus dem Bett und zog Hausschuhe und Morgenmantel an.
    Sie trat in den Flur hinaus. An einem Ende des Gangs wachte noch immer die große Standuhr. Die andere Seite war ungeschützt. Dort begann eine kurze Treppe, die zur Bodentür führte.
    Dr. Vanner wäre stolz auf mich, dachte sie.
    Sie stieg die Treppe hinauf.
    Ich habe ja nicht mal Angst, überlegte sie fast triumphierend.
    Sie öffnete die kleine Kipptür. Der Bodeneingang war so niedrig, daß sich ein Erwachsener beim Eintritt bücken mußte, und sie ließ sich durch diese Tatsache einen Augenblick aufhalten.
    Die Dunkelheit auf dem Boden schien anders zu sein als die Schwärze in ihrem Schlafzimmer. Aber sie wußte, daß in der Mitte eine elektrische Birne hing und daß der Schalter erreichbar war, ohne daß sie einen Fuß über die Schwelle setzen mußte.
    Sie schob die Hand um den Türrahmen und ertastete den Schalter, den sie mit einiger Mühe betätigte. Der wenige Gebrauch hatte ihn unbeweglich gemacht. Es gab keine plötzliche Lichtflut; die Birne war schwach, und der Bodenraum schimmerte gelblich vor ihr. Sie neigte den Kopf und trat ein.
    Im staubigen Lichtkreis hing ihre Mutter an einem niedrigen Dachbalken. Die elektrische Schnur lag schwarz um ihren bleichen Hals, und sie trug das Kleid, an das sich Gail am besten erinnerte – ein bodenlanges weites Gewand aus schimmernd blauem Satin.
    Mrs. Bellinger mühte sich mit ihr. Warum kämpfte Mrs. Bellinger gegen sie, warum versuchte sie ihr die Arme festzuhalten? Verwirrt und in dem Bewußtsein, daß ihr das Blut in den Ohren rauschte, brüllte sie sie an, sie solle aufhören, sie habe kein Recht, so etwas zu tun, überhaupt kein Recht! Einen Augenblick lang glaubte sie, die Haushälterin werde ihr ins Gesicht schlagen, und überlegte, daß das ja das Heilmittel gegen die Hysterie sei. Sie erkannte, daß Mrs. Bellinger nicht ihre Feindin, sondern nur ihre Therapeutin war. Es liegt an mir, an mir, dachte Gail außer sich. Ich bin übergeschnappt!
    Bei dem Gedanken gab sie die Gegenwehr auf und merkte, wie sich der Griff der Haushälterin um ihre Arme lockerte. Unten am Rücken spürte sie einen schmerzhaften Druck, und Gail merkte, daß sie am Fuße der Bodentreppe lag und sich auf den Stufen krümmte.
    Dann erinnerte sie sich an die Ursache ihres hsysterisehen Anfalls und versuchte Mrs. Bellinger davon zu erzählen.
    »Ich weiß, mein Liebling, ich weiß«, sagte die Haushälterin beruhigend. »Nur hast du dich geirrt! Komm, schau‘s dir an, Liebling, überzeug dich, daß es nur an deiner Phantasie liegt!«
    Sie versuchte Gail wieder zum Boden zu ziehen, und Gail widersetzte sich mit dem jämmerlichen Wimmern eines Kindes. (Piers Swann, der sie zu ihrer toten Mutter führen wollte. Nein, Piers, nein, ich will da nicht rein!)
    »Es war etwas ganz anderes, Schatz«, sagte Mrs. Bellinger einschmeichelnd. »Bitte schau dir an, was du gesehen hast, bitte.«
    Sie wurde an der Hand genommen und wieder zur Bodentür geführt, zurück in den gelbschimmernden Raum, zurück zu der Erscheinung, die an dem niedrigen Balken hing …
    Sie wimmerte, aber sie schaute hin.
    Das blaue Sackkleid ihrer Mutter hing dort am Balken, gehalten von dem schwarzen Draht eines Metallbügels.
    »Das hast du gesehen, Gail, mehr nicht«, sagte Mrs.
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