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Hinter der Tür

Hinter der Tür

Titel: Hinter der Tür
Autoren: Henry Slesar
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sie geschaffen hat. An dem Tag bekommt sie Vollmacht über das ganze Vermögen. Wenn sie die Fiduciary wirklich verabschieden wollte, könnte sie das tun. Verstehst du jetzt?«
    Steve nahm einen Brieföffner vom Tisch des Bankiers und reinigte sich damit die Fingernägel. Wenn Saul Tedesco nicht mit Steves Tante verheiratet gewesen wäre und den jungen Mann nicht so gemocht hätte und wenn er so hartherzig gewesen wäre, wie Gail Gunner- son annahm, hätte er jetzt die Stirn gerunzelt. Aber so lächelte er nur.
    »Glaub ja nicht, daß ich mir Sorgen mache«, sagte er. »Miss Gunnerson und die Bank arbeiten schon zu viele Jahre zusammen, als daß sie jetzt überstürzt handeln würde. Es wäre fast, als würde man eine Nabelschnur durchschneiden. Mag sein, daß sie die Wilde spielt und uns beschimpft, aber sie braucht uns auch.«
    »Ich habe übrigens noch einmal mit dem Polizeibeamten gesprochen.«
    »Baldridge?«
    »Ja. Ich dachte mir, es könne nicht schaden, die Sache noch mal mit ihm durchzugehen. Er hat sich nicht besonders über meinen Besuch gefreut.«
    »Was hat er gesagt?«
    Steve zuckte die Achseln. »Dasselbe wie vorher, nur nicht mehr so freundlich. Er sagte, sie gingen jedem Anruf sorgfältig nach. Die Tatsache, daß die junge Gun- nerson schon ein paarmal Alarm gegeben hat, mache die Polizei nicht weniger wachsam – was hätte er mir anderes sagen sollen? Oh – er hatte ein neues Argument gegen sie in der Hand.«
    »Und das wäre?«
    »Offenbar hat sie vor zwei Monaten ein weiteres Mal bei der Polizei angerufen – allerdings nicht von zu Hause. Sie war irgendwo im Norden in einem Hotel; es ging um ein Tennisturnier, das sie sich anschaute oder an dem sie teilnahm – er wußte es nicht genau. Mitten in der Nacht rief sie die dortige Polizei an und sagte, jemand habe versucht, in ihr Zimmer einzudringen. Die Beamten haben das überprüft, aber nichts gefunden.«
    Tedesco seufzte. »Die Polizei kennt übrigens ihre Vorgeschichte. Habe ich dir das schon gesagt?«
    »Baldridge hat so etwas angedeutet. Woher weiß man das- von dir?«
    Sein Onkel sah ihn gekränkt an. »Warum läßt du immer wieder anklingen, ich wollte mich gegen Gail Gunnerson stellen? Das trifft nämlich nicht zu. Ich bin ehrlich besorgt um sie. Wie wir alle.«
    »Ah ja. Du und Mr. Comfort und Mr. Sankey und Mr. Rorimer und all die anderen Buchhaltertypen …«
    »Tu deine Arbeit, Steve, mehr verlangen wir nicht.«
    »So leicht, wie es sich anhört, ist es gar nicht. Wenn ich ihr wieder unter die Augen komme – ich meine, sie ist ein ziemlich harter Brocken.«
    »Ach, du wirst sie schon weichkriegen. Knips deinen Charme an.«
    »Weißt du, wie sie mich genannt hat? Einen Schwindler!«
    »Ist dir das an die Nieren gegangen?«
    »Nein – warum? Ich bin doch einer.«
    »Was hast du ihr erzählt? Über dich?«
    »Ich habe ihr gesagt, man hätte mich engagiert, sie zu beschützen.«
    »Gewissermaßen stimmt das auch.«
    »Pustekuchen. Ich bespitzele sie – darauf läuft es doch hinaus!«
    »Du brauchst keine Gewissensbisse zu haben, Steve. Das Mädchen wird bestens versorgt sein, was immer die Gerichte beschließen …« Er beugte sich über den Tisch und nahm seinem Neffen den Brieföffner aus der Hand. Seine Stimme klang leise und beruhigend. »Du mußt es mal so sehen«, sagte er. »Das Gunnerson-Erbe ist weitaus mehr als Zahlen auf einem Bankkonto. Es umfaßt Besitztümer, Grundstücke, Fabriken – die Arbeitsplätze von mehreren tausend Leuten …«
    »Und ein hübsches dickes Konto für die Fiduciary.«
    »Klar, das auch. Aber vergiß nicht, daß wir die Maschine in Gang halten, Steve. Wenn das Mädchen seelisch nicht ausgeglichen ist, wenn sie nicht verantwortlich handelt, könnte sie der Maschine erheblich schaden. Sie vielleicht zum Stillstand bringen. Das dürfen wir nicht zulassen.«
    Steve, dessen dünnen, nervösen Händen der Brieföffner fehlte, beruhigte sie, indem er sie in die Jadkenta schen steckte.
    »Du hast mich noch nicht gefragt, was ich von ihr halte.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Na, mein Eindruck von ihr als Mensch.«
    Tedesco setzte ein schiefes Lächeln auf. »Ich hatte dir gleich gesagt, daß sie hübsch ist.«
    »Ich habe mit ihr gesprochen, Saul. Sie kam mir durchaus ehrlich vor. Sie hatte überhaupt nichts Hysterisches. Keine großen stieren Augen, nichts von dem, was du mir angedeutet hast.«
    »Angedeutet? Was habe ich dir angedeutet?«
    »Das weißt du verdammt gut. All das Gerede, daß sie als Kind
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