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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot
Autoren: Karen Chance
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Sie zog sich Pritkins Messer aus der Brust, achtete nicht auf die dabei erklingenden fleischigen Geräusche und stieß es Dracula ins Herz, während er sich noch hämisch über seinen vermeintlichen Triumph freute.
    Im Gegensatz zu ihm verfehlte sie das Ziel nicht.
    Ich sah den Schock in seinem Gesicht, als die Klinge durchs Herz schnitt, hörte auch das Knirschen von Holz, als sie sich unter Dracula in den Boden bohrte. Augusta trieb das Messer so weit hinein, dass er wie ein Käfer an einer Nadel aufgespießt war. Dann riss sie eine Armlehne vom nächsten Stuhl und benutzte Draculas Erbstück, um es zuzuspitzen. Die metallene Waffe war ihm zwar sichtlich unangenehm, würde ihn aber nicht töten, im Gegensatz zu dem Holzpflock. Augusta sah auf, als erwartete sie von mir, dass ich eingriff, aber ich erwiderte ihren Blick passiv. Ich hatte einen von Mirceas Brüdern gerettet und schuldete ihm keinen weiteren.
    Augustas Arm kam so schnell nach unten, dass man kaum etwas sah, und der improvisierte Pflock traf auf den Boden, mit einem lauten Pochen, das fast wie ein Donnerschlag durchs Theater hallte. Dracula war einfach nicht mehr da. Ich verstand nicht, was geschehen war, und Augusta ging es ebenso, bis ich Stoker mit einem schwarzen Kästchen sah. Er schenkte mir ein dünnes Lächeln, rollte dann zur Seite und verlor das Bewusstsein. Der Inkubus kam aus seiner Brust und sah so selbstgefällig aus, wie ein größtenteils amorpher Geist aussehen konnte. Augusta nahm das Kästchen, zögerte aber, als sie bemerkte, wie sich das Gesicht des Geistes veränderte. Ihr Blick glitt vom Inkubus zu mir, und dann bewies sie einmal mehr ihre praktische Veranlagung, indem sie das Kästchen fallenließ und weglief.
    Ich sah mich um – es waren keine Vampire mehr in Sicht. Bis auf den Stuhl ohne Armlehne und einige Blutflecken auf der Bühne machte das Theater den sonderbaren Eindruck, als wäre überhaupt nichts geschehen. Doch etwas fehlte. »Wo sind die Zauber?«, fragte ich Billy.
    Er kam so langsam aus mir heraus, als widerstrebte es ihm, den Schutz meines Körpers zu verlassen. Aufmerksam sah er sich um, doch von den Theatergeistern fehlte jede Spur. Vielleicht erholten sie sich von dem, was sie mit Myra angestellt hatten. »Zerstört – der Dislokator hat sie erledigt.«
    »Sie sind verschwunden? Alle?«
    »Sie hätten ohnehin nicht lange existiert, Cass. Es waren keine offensiven Zauber. Sie dienten zum Schutz des Körpers, in dessen Haut sie tätowiert wurden, nicht als Waffen. Sie haben sich selbst zerstört.« Ich dachte an den Adler und seinen letzten Flug, und ein Kloß entstand in meinem Hals.
    »Cassie!« Billys Stimme war wie eine Ohrfeige. »Werd nicht rührselig – nicht ausgerechnet jetzt! Wir haben keine Zauber mehr, und die Vampire kehren bestimmt gleich zurück. Wir müssen von hier verschwinden.« Ich suchte nach Myra, aber ohne Augustas Sinne war es hoffnungslos. Nicht eine Sekunde glaubte ich, dass die Geister sie getötet hatten. Erstens waren mehr als ein oder anderthalb Geister nötig, um einem gesunden Menschen die ganze Lebensenergie zu entziehen, und zweitens: So viel Glück hatte ich einfach nicht. Ich dachte kurz daran, in der Zeit zurückzukehren und zur Stelle zu sein, bevor sie ihren großen Abgang machte, doch die Präsenz jener anderen Bombe ließ mich zögern. In meiner Vision hatte ich gesehen, was ein Dislokator anrichten konnte; ich wollte es nicht bei mir selbst erleben.
    Ich kletterte ohne Augustas untote Eleganz von der Bühne und nahm das schwarze Kästchen. Es wog nicht mehr als vorher. Ich schüttelte es skeptisch, doch der Geist lächelte nur. Mit blutunterlaufenen Augen und Reißzähnen sah er recht seltsam aus. »Er ist da drin, das versichere ich dir.«
    »Und jetzt?«, fragte ich, als das Gesicht wieder eine gütige Detaillosigkeit gewann.
    »Ich warte«, sagte der Geist mit weitaus mehr Gelassenheit als ich an seiner Stelle. Andererseits, wenn man unsterblich war, störte man sich vermutlich nicht an einigen Jahrzehnten Wartezeit.
    Pritkins Lider zuckten. »Myra ist weg«, sagte ich ihm, bevor er fragen konnte. Er nickte, blieb aber still.
    Ich sah wieder meinen nebelhaften Verbündeten an. »Hast du Mircea gesehen?« Ich nahm an, dass er überlebt hatte, da die Ereigniskette meiner Vision unterbrochen worden war. Aber ich wollte sicher sein. »Ich glaube, es ist alles in Ordnung mit ihm.« Der Geist begann zu verblassen, und ich hob die Hand, um ihn zurückzuhalten.
    »Danke
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