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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot
Autoren: Karen Chance
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um ihn abzulenken, aber wie sich herausstellte, zielte Augusta viel besser als ich – der Pflock bohrte sich dem Vampir genau an der richtigen Stelle in die Brust.
    Ein sehr blasser und zittriger Stoker taumelte aus den Kulissen und stapfte so schnell zur Kugel, wie es seine weichen Knie erlaubten. Er war nicht schnell genug. Die schwarze Kugel hatte den Kampf erreicht und rollte zwischen die Füße der beiden Duellanten, die nun in einem Kreis aus Senatsmitgliedern gegeneinander antraten. Sie wurde hin- und hergestoßen, als Mircea und Dracula versuchten, sich in eine gute Position zu bringen, erst einen Schritt in diese Richtung machten und dann in die andere. Das Entsetzen in Stokers Gesicht veranlasste mich zu einem Sprint.
    Ich erreichte die Duellanten gerade rechtzeitig, um einen Sandsack ins Gesicht zu bekommen, der an einem Seil von den Dachsparren heruntergefallen war. Es war einer von vier, die hin- und herschwangen, und die meisten Vampire wichen ihnen leicht aus. Er wog etwa fünfzig Pfund, und auf dem Weg zu mir hatte er ziemlich viel Bewegungsmoment gewonnen. Als ich ihn sah, konnte ich nicht mehr ausweichen. Das Ding riss mich von den Beinen, und ich rutschte einige Meter weit auf dem Rücken.
    »Dislokator!« Stoker war auf der Bühne zusammengebrochen und lag unglücklicherweise auf dem Bauch. Er schrie, aber nicht vor Schmerz, sondern immer wieder dieses eine seltsame Wort.
    Ich stand wieder auf, als die Duellanten zögerten und auf die kleine Kugel zu ihren Füßen hinabsahen. Alle verharrten für eine halbe Sekunde. Dann huschten die Senatoren fort und verließen das Theater so schnell, wie sie gekommen waren. Mircea packte Billy und sprang zur Decke hoch, und Dracula lief auf uns zu und schnappte sich unterwegs Stoker. Pritkin schlang mir den Arm um die Taille und sprang von der Bühne. Wir landeten im Orchestergraben, und da er im letzten Moment auf mich rollte, war er wie eine lebende Abschirmung.
    Er bekam den größten Teil ab, und für mich blieb noch immer so viel übrig, dass mir die Zähne klapperten. Im nächsten Moment strich, von der Bühne kommend, etwas Mächtiges über uns hinweg. Die Bombe musste etwas gefunden haben, mit dem sie sich verbinden konnte, vielleicht einige der gefallenen Vampire. Wenn das stimmte, würden sie sicher keine Gelegenheit mehr bekommen, wieder aufzustehen. Es hatte sich ganz und gar nicht wie eine Nullbombe angefühlt, war dunkler und schmieriger gewesen, und eins stand fest: Um eine Verteidigungswaffe handelte es sich gewiss nicht. Ich hob den Kopf und fand mich dicht an dicht mit Dracula wieder. Er zeigte eine seltsame Freude darüber, mich zu sehen, und dann bemerkte ich das in meiner Brust steckende Messer, zwischen der dritten und vierten Rippe. Es tat weh, aber nicht so sehr, wie ich erwartet hätte. Es gab keinen stechenden, sengenden Schmerz und nur wenig Blut. Was vielleicht daran lag, dass Augusta in letzter Zeit keine Nahrung zu sich genommen oder der Mistkerl das Herz um einen Zentimeter verfehlt hatte.
    Vlad wollte ihr den Kopf abschneiden, und der Grund dafür blieb mir ein Rätsel. Weil sie Mircea geholfen hatte? Weil er bekloppt war? Wer wusste das schon? Aber er ließ sich Zeit damit, die Waffe zu ziehen, die an seiner Seite in einer Scheide steckte. Das Messer, das er mir in die Brust gestoßen hatte, stammte von Pritkin – Dracula musste es aus dem eigenen Körper herausgezogen haben –, doch es schien eine alte Familienwaffe zu sein, mit einem schweren, intarsierten Griff und einer eindrucksvoll glänzenden Klinge. Pech für ihn, dass er keine Gelegenheit bekommen würde, davon Gebrauch zu machen.
    »Du kriegst Gesellschaft, Billy!« Mein Ruf hallte von den Theaterwänden wider. »Komm her.«
    »Sie haben mir viel Ärger bereitet«, teilte mir Dracula mit, als mein Körper über die Bühne zu uns eilte. »Das hier wird mir gefallen.«
    »Das bezweifle ich«, sagte ich und sprang. Einen sehr verwirrenden Sekundenbruchteil später wäre ich fast von der Bühne gelaufen. Billy schrie in meinem Kopf, und ich blieb stehen und balancierte am Rand, was mir einen guten Blick auf Dracula gab, der gerade die Bekanntschaft von Senatsmitglied Augusta machte. Er hätte sie ohne das Trara enthaupten sollen, als er noch dazu in der Lage gewesen war. Unter den gegebenen Umständen zeigte sie ihm gern, wie sie zu ihrem Platz im Senat gekommen war. Was ihr an Kampfgeschick mangelte, machte sie mit Erbarmungslosigkeit und praktischer Veranlagung wett.
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