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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot
Autoren: Karen Chance
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nicht!« Pritkin wandte sich mir zu, aber sein Blick schien durch mich hindurchzugehen. Ich sah wieder zu Myra, und das Bild vor meinen Augen verschwamm so sehr, dass ich nicht mehr wusste, wo das Blut aufhörte und das Rot des Kleids begann. »Pritkin!«
    »Sie ist fort.«
    »Was soll das heißen, sie ist fort?«, fuhr ich ihn an. »Fort wohin? In einen anderen Wirtskörper?«
    »Nein.« Er stand auf, trat zu Myras Leiche und flüsterte etwas, woraufhin vor ihm purpurrote Flammen emporwuchsen. Sie warfen ein rötliches Licht auf die alten Bretter, und der Goldrahmen der Bühne schien zu funkeln, aber es war kein gewöhnliches Feuer. Die kleine Gestalt in seiner Mitte zerfiel innerhalb von Sekunden zu Asche und ließ nur verkohlte Dielen zurück. Mit Schmerz in den Augen drehte sich Pritkin zu mir um. Sein Blick vermittelte mir eine deutlichere Botschaft als die Worte. »Einfach fort.« Ich schüttelte benommen den Kopf. »Nein! Wir hätten einen sicheren Ort für Myra finden können, und Agnes hätte Gelegenheit bekommen, sich in einem anderen Körper niederzulassen. Ich hätte ihr dabei geholfen. Es musste nicht auf diese Weise enden.«
    Pritkins Hand schloss sich so fest um meinen Arm, dass es wehtat. »Verstehen Sie noch immer nicht?«
    »Was soll ich verstehen? Sie ist umsonst gestorben!« Ich weinte, aber es war Panik, die das Bild vor meinen Augen in bunte Schlieren verwandelte. Agnes konnte, durfte nicht tot sein. Ich hatte vorher geglaubt, auf mich allein gestellt zu sein, dabei aber nicht begriffen, wie schlecht meine Chancen standen. Das war mir inzwischen klar geworden, und deshalb wusste ich, dass ich allein nicht zurechtkommen konnte. »Ich kehre in die Vergangenheit zurück und rette sie …«, begann ich, doch Pritkin schüttelte mich so heftig, dass meine Zähne klapperten.
    »Lady Phemonoe starb bei der Erfüllung ihrer Pflicht. Sie war eine der größten Pythien, die wir je hatten. Sie werden
keine
Schande über sie bringen!«
    »Schande über sie bringen? Ich rede davon, sie zu retten!«
    »Es gibt einige Dinge, die nicht einmal eine Pythia ändern kann«, sagte Pritkin, und die Härte wich aus seinen Zügen. »Myra musste sterben, und jemand musste dafür sorgen, dass sie nicht ihre Macht benutzen konnte, um in einen anderen Körper zu springen, bevor ihr Geist weggezogen wurde. Es gab nur eine Möglichkeit …« Schließlich dämmerte es mir. »Jemand musste mit ihr gehen«, hauchte ich und starrte ungläubig auf die verkohlten Dielen. Es war alles so schnell gegangen. Eine voll ausgebildete Pythia wäre nicht von Zweifeln oder Sorge geplagt gewesen, hätte nicht mit ihren Entscheidungen gehadert und sich gefragt, ob sie ein Recht auf ihre Macht hatte. Aber ich war nicht ausgebildet worden und wusste nicht, was ich tun sollte. Panik schnürte mir die Kehle zu und ließ mein Gehirn in Eis erstarren. Ich fühlte mich allein und war entsetzt. »Ich nehme an, Sie werden sich auf die Suche nach dem
Codex
machen, was auch immer ich zu tun gedenke, nicht wahr?« fragte Pritkin. Mein Gehirn brauchte einige Sekunden, um zu verarbeiten, was von den Ohren kam. Und selbst dann fiel es mir schwer zu verstehen. Warum kam Pritkin
jetzt
darauf zu sprechen? Hundert Probleme zerrten mich in verschiedene Richtungen und lasteten so schwer auf mir, dass ich mich auf keins von ihnen richtig konzentrieren konnte. Ich wusste nur, dass Agnes wirklich tot war und dass jetzt alles bei mir lag.
    »Was?«, fragte ich dumm.
    »Der
Codex«,
wiederholte Pritkin geduldig. »Sind Sie entschlossen, ihn zu suchen?«
    »Mir bleibt keine Wahl«, erwiderte ich verwirrt. »Der
Geis
klebt noch immer an mir, und ich kann meine Aufgaben nicht wahrnehmen, wenn er schlimmer wird.« Derzeit wusste ich nicht einmal, ob ich sie selbst ohne den
Geis
wahrnehmen konnte.
    Pritkin nickte knapp. »Dann helfe ich Ihnen.«
    Ich fühlte, wie die Tränen auf meinen Wangen trockneten, aber ich konnte mich nicht dazu aufraffen, sie wegzuwischen. »Ich habe mich immer gefragt, ob Sie einen Todeswunsch haben. Ich glaube, jetzt weiß ich Bescheid.«
    »Ich habe Lady Phemonoe versprochen, Ihnen zu helfen.« Mit einem Ruck wich ich vor ihm zurück. »Agnes ist tot!«, stieß ich mit plötzlichem Zorn hervor. »Und ich will keine weitere Leiche auf dem Gewissen haben. Dort liegen bereits genug.« Ich versuchte, noch weiter zurückzuweichen, weg von den verbrannten Bühnenbrettern, aber mit einem Fuß verhedderte ich mich im Saum des langen Gewands und endete
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