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Himmelsschatten

Himmelsschatten

Titel: Himmelsschatten
Autoren: Michael Cassutt , David S. Goyer
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diesem Junivormittag, und trotzdem erreichten die Temperaturen an der Space Coast schon über 30° C und würden noch weiter ansteigen. Megan Stewarts normalerweise glattes Haar hatte sich zu einer Frisur gekräuselt, die dem Schopf von Frankensteins Braut glich. Unter den Armen, in den Kniekehlen, überall, wo sich Schweiß sammeln konnte, war sie klitschnass. Sogar ihre bloßen Oberschenkel klebten am Bezug ihres Autositzes fest.
    Man kommt sich vor wie in einem Backofen . Die Metapher war abgedroschen – sie brauchte einen originelleren Vergleich, wenn sie ihn für ihre Dokumentation benutzen wollte.
    Sie rückte ihr Sennheiser -Web-Set zurecht. Obwohl die Digitalkamera und die Mikrofone erst fünf Jahre alt waren, galten sie bereits als überholt; doch das Gerät ließ sich leicht bedienen und produzierte immer noch Bilder von einer Qualität, die für das Internet taugte. Sie blickte ihre fast zwölf Jahre alte Tochter an, die auf der Rückbank saß. »Rachel, wie würdest du das Wetter heute beschreiben?«
    Rachel blinzelte, tauchte mit ihren braunen Augen aus ihrer Tablet-Computer-Welt auf und kehrte in die Realität zurück … ein mittlerweile vertrauter Vorgang. »Es ist besser als in Houston.«
    »Wirklich? Inwiefern?«
    »Florida ist genauso heiß wie Texas, aber hier stinkt es nicht so bestialisch.« Megan hatte Rachels gesamtes Leben in irgendeinem Blog festgehalten, angefangen vom neugeborenen Säugling über das Trotzalter bis hin zu der Phase vor dem Erreichen des Teenageralters, und nun sollte sie in ihrer halbstündigen Dokumentation für GoogleSpace erwähnt werden. Das Mädchen hatte sich eine Geschicklichkeit erworben, ganz passable Antworten zu geben.
    Harley Drake, der am Steuer saß, lachte. »Warum nennst du diesen Ort nicht gleich den ›Sechsten Kreis der Hölle‹?«
    »Das ist wohl der, in dem dauernd das Feuer brennt.«
    »Ja, im Gegensatz zu den Kreisen, in denen von Blut, Schlamm oder schweren Gegenständen die Rede ist, mit denen man malträtiert wird.« Er lächelte. »Im sechsten Kreis landen die Ketzer.«
    »Für einen Typen, der sich selbst als Space Cowboy bezeichnet, ist das eine ziemlich anspruchsvolle literarische Auskunft.« Megan übertrieb absichtlich den Houstoner Akzent, den sie sich im Verlauf der letzten neun Jahre angeeignet hatte. Es sollte ein Scherz sein: Drake war Astronaut, aber zusätzlich zu seinen vier Diplomen in Technik und Naturwissenschaften hatte er auch noch einen Magister in Literatur. Vermutlich hatte er Dantes Inferno sogar gelesen, was Megan nicht von sich behaupten konnte. Wahrscheinlich sogar in der Originalsprache des Werks, Italienisch.
    »Ich bin groß, in mir ist Platz genug!«
    »Ein Zitat von Walt Whitman. Danke, Astronaut Drake. Gott, ist das unbequem.« Megan unterbrach die Aufzeichnung und entfernte das Webset, damit sie sich mit einem Tissue das Gesicht abwischen konnte.
    »Warum kommen die Leute so früh hierher?«, wunderte sich Rachel. »Der Start findet doch erst nächste Woche statt.«
    Megan blickte aus dem Seitenfenster des Tesla. Der Verkehr in Richtung Süden auf dem Highway 95 von dem Haus in Nova Villas durch den unerfreulicheren Teil von Titusville zum Autobahnkreuz 407 – wo immer viel Betrieb herrschte – war heute einfach schrecklich; Tau sende von Fahrzeugen waren zusätzlich unterwegs, PKW s, Kleintransporter und Wohnmobile steuerten alle dasselbe Ziel an oder parkten auf den Seitenstreifen.
    »Sie wollen sich alle einen Platz ergattern, von dem aus sie möglichst gut sehen können«, erklärte Harley. »Und ein Start ist wahrlich ein Grund, um eine Party zu feiern. Das ist allemal besser, als wegen eines Football-Spiels im Stau zu stehen.«
    »Na ja, von hier aus kriegt man aber wirklich nicht viel mit, oder?«, motzte Rachel. Sie fand Harley so unsympathisch, dass sie ihm bei jeder sich bietenden Gelegenheit widersprach.
    Es stimmte tatsächlich, dass an diesem Junimorgen die Aussicht auf die beiden Gerüsttürme mit den Gantry- Kränen, hinter denen sich die gigantische, dreistufige Saturn- VII -Rakete verbarg, diesig und verschwommen war. Dennoch bildete sie einen akzeptablen Hintergrund für Megans Doku – für die sie immer noch keinen Titel hatte. Mein Mann fliegt zum Mond klang altmodisch, wie aus der Apollo-Ära. Noch eine Herausforderung.
    Megan fasste noch einmal ihre Tochter ins Auge. Sie war ein zierliches Mädchen, bevorzugte ihren Vater, aufgeweckt, manchmal ein bisschen zu vorlaut, im Allgemeinen
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