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Heyne Galaxy 12

Heyne Galaxy 12

Titel: Heyne Galaxy 12
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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seit sechs Jahren. Ich könnte ein Buch über den Vogel schreiben – und wenn er lesen könnte, würde es ihm sicher gefallen. Aber das würde mir natürlich nie im Traum einfallen, denn wenn ich das Buch schriebe, könnte ich ja das Rotkehlchen nicht mehr beobachten!«
    »Du könntest es im Winter schreiben, wenn der Vogel fort ist.«
    »Im Winter«, entgegnete Lee, »habe ich andere Dinge zu tun.«
    Er langte nach unten, nahm den Krug zur Hand und reichte ihn Knight.
    »Süßer Apfelwein«, erklärte er. »Ich produziere ihn selbst – nicht als Projekt, nicht als Hobby, sondern weil ich Apfelwein eben mag und die Kunst des Apfelweinmachens offenbar verlorengegangen ist. Den besten Geschmack bekommt er, wenn sich ein paar Würmer in die Äpfel verirrt haben.«
    Angeekelt reichte Knight den Krug zurück; Lee widmete sich seinem Getränk mit umso größerer Zufriedenheit.
    »Erste gute Sache, die ich seit Jahren fertiggebracht habe«, sagte er. Langsam schaukelte er in der Hängematte hin und her; der Krug ruhte ihm auf der Brust. »Jedesmal, wenn ich einen Arbeitsanfall bekomme, werfe ich einen Blick zu dir hinüber – und da vergeht mir die Lust schnell wieder. Um wieviele Räume hast du das Haus erweitert, seitdem du eingezogen bist?«
    »Um acht Zimmer«, entgegnete Knight stolz.
    »Mein Gott! Stell dir vor – acht Räume!«
    »Das hört sich schlimmer an, als es ist«, wandte Knight ein.
    »Wenn du den Bogen einmal 'raus hast, ist es ganz einfach. Es macht mir Spaß.«
    »Vor einigen hundert Jahren haben die Menschen ihre Häuser nicht um acht Räume erweitert. Und sie bauten nicht einmal ihre eigenen Häuser. Außerdem begeisterten sie sich nicht für ein gutes Dutzend verschiedener Hobbys. Sie hatten einfach keine Zeit dafür.«
    »Dafür ist es jetzt um so leichter. Du kaufst dir einfach einen How-2-Baukasten.«
    »Ja, man hat es jetzt wirklich leicht, sich selbst zu täuschen«, sagte Lee, »sich einzureden, daß man etwas Nützliches vollbringt, während man in Wirklichkeit nur so herummurkst. Warum war die How-2-Idee so erfolgreich? Weil ein Bedarf dafür bestand?«
    »Sie spart Geld. Warum soll man für etwas teuer bezahlen, das man selbst viel billiger machen kann?«
    »Vielleicht hing es tatsächlich damit zusammen, zuerst jedenfalls. Aber du kannst mir nicht mehr von Sparsamkeit sprechen, wenn es darum geht, deinem Haus acht weitere Räume anzufügen. Niemand braucht acht Extraräume. Ich möchte auch bezweifeln, daß die Kostenersparnis von Anfang an das einzige Motiv gewesen ist. Die Leute hatten mehr Zeit, als sie ausfüllen konnten, also konzentrierten sie sich auf ihre Hobbys. Und heute beschäftigen sie sich nicht damit, weil sie die produzierten Dinge wirklich brauchen, sondern weil die Tätigkeit ein gewisses Vakuum ausfüllt, das durch die kürzere Arbeitszeit entstanden ist. Die Leute haben zuviel Freizeit, mit der sie nichts anfangen können. Was mich betrifft«, fügte er hinzu, »ich weiß etwas damit anzufangen.«
    Er hob den Krug, tat einen tiefen Schluck und reichte Knight das Getränk hinüber. Diesmal lehnte Knight ab.
    Die beiden Männer lagen in ihren Hängematten, betrachteten den blauen Himmel und beobachteten das zerzauste Rotkehlchen. Knight sagte, daß es einen How-2-Baukasten für mechanische Vögel gebe, worauf Lee mitleidig lachte. Knight verstummte beleidigt.
    *
    Als Knight nach Hause zurückkehrte, war ein Roboter damit beschäftigt, in der Nähe des Zaunes das Gras zu stutzen. Er besaß vier Arme, an denen anstelle der Hände vier kurze Schneidemesser befestigt waren, und arbeitete schnell und zielbewußt.
    »Du bist doch nicht Albert, oder?« fragte Knight und überlegte, wieso sich ein fremder Roboter auf sein Grundstück verirrt hatte.
    »Nein«, erwiderte der Roboter, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. »Ich bin Abe. Albert hat mich gemacht.«
    »Gemacht?«
    »Albert hat mich produziert, damit ich arbeite. Sie haben doch nicht angenommen, daß Albert solche Arbeit tun würde?«
    »Ich … ich weiß nicht«, sagte Knight.
    »Wenn Sie sich unterhalten wollen, werden Sie mir folgen müssen. Ich darf meine Arbeit nicht unterbrechen.«
    »Wo ist Albert jetzt?«
    »Unten in der Werkstatt. Er produziert gerade Alfred.«
    »Alfred? Noch einen Roboter?«
    »Dafür ist Albert ja da.«
    Knight wurden die Knie weich. Vorsichtig tastete er nach einem Zaunpfahl und stützte sich darauf.
    Zuerst hatte er einen Roboter gehabt –jetzt waren es schon zwei, und Albert war unten in
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