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Heyne Galaxy 09

Heyne Galaxy 09

Titel: Heyne Galaxy 09
Autoren: Walter (Hrsg.) Ernsting
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Rücken zu. Sein Metabolismus hatte die Farbe jedoch nach kurzer Zeit verarbeitet, so daß das Tier wieder im Nichts verschwand.
    Gregor fing zehn Siegs und versuchte, sie durch seinen Irrgarten zu scheuchen. Doch die Ratten hatten keine große Lust, sich überhaupt von der Stelle zu rühren. Verächtlich beschnüffelten sie die leckeren Brocken, die ihnen hingehalten wurden, spielten einen Augenblick lang damit herum und ließen sie dann liegen. Sogar leichte elektrische Schläge vermochten sie nur einige Zentimeter weiterzubringen.
    Aber die Tests machten wenigstens deutlich, warum die Morganisier- und Tournierapparate versagen mußten.
    Wie alle großangelegten Vernichtungssysteme basierten sie auf der Vorstellung des ›normalen‹ Opfers. Diese Normaltiere konnten – indem gewisse Hunger- oder Angstinstinkte angesprochen wurden – zu einem bestimmten Verhalten veranlaßt werden. Diese Systeme – für ›normale‹ Nagetiere gedacht, vernichteten also nur ›normale‹ Nagetiere.
    Alles war in Ordnung, solange ein hoher Prozentsatz der zu vernichtenden Tiere dieser Norm entsprach. Aber als sich die Siegs veränderten, veränderte sich auch diese Norm. Die Siegs hatten sich auch geistig ihrer Unsichtbarkeit angepaßt.
    Man konnte sie nicht mehr in Panik versetzen, denn sie hatten herausbekommen, daß sie niemand mehr jagte. Und da sie keinen Grund zum Fliehen hatten, konnten sie zu jeder Zeit und an jedem Ort in aller Ruhe fressen. Daher waren sie recht wohlgenährt und durchaus abgeneigt, anderen verlockenden Geräuschen, Gerüchen oder Formen nachzugehen.
    Sowohl das Morganisier- als auch das Tourniersystem konnten entsprechend angepaßt werden und mochten durchaus wirksam sein, jedoch nur in kleinem Rahmen und an jenen Nagetieren, die sich der Unsichtbarkeit nicht angepaßt hatten.
    Aber was war aus den natürlichen Feinden der Siegs geworden, aus jenen Kräften, die für das ökologische Gleichgewicht der Natur zu sorgen hatten? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, machten sich Arnold und Gregor an eine hastige Untersuchung der örtlichen Fauna.
    Eine Erkenntnis führte zur nächsten, und bald hatten die beiden Partner rekonstruiert, was hier geschehen sein mußte.
    Die Siegs hatten Feinde auf Seer – Hangs, Drigs, Baumskurls und Omenester. Diese phantasielosen Wesen waren nicht in der Lage gewesen, sich der plötzlichen Veränderung anzupassen. Sie jagten vordringlich mit dem Auge und benutzten ihren Geruchssinn nur als Hilfsmittel. Obwohl der Sieggeruch in ihren Nüstern langsam überhand nahm, kam es für sie doch auf das Sehen an und nicht auf den Geruch.
    Also fielen sie übereinander her und ließen die Siegs in Ruhe.
    Und die Siegs vermehrten sich …
    Und die AAA-Gesellschaft wußte nicht, was sie gegen die Plage unternehmen sollte.
    »Wir zäumen das Pferd von der falschen Seite auf«, sagte Gregor nach einer Woche vergeblicher Arbeit. »Wir sollten endlich den Grund für ihre Unsichtbarkeit herausfinden. Dann wüßten wir sicherlich auch, wie wir mit ihnen umgehen müssen.«
    »Mutation«, beharrte Arnold dogmatisch.
    »Ich glaub's nicht mehr. Keine Tierart ist bisher durch eine Mutation unsichtbar geworden! Warum sollten gerade die Siegs die ersten sein?«
    Arnold zuckte die Achseln. »Nimm zum Beispiel einmal das Chamäleon. Dann gibt es Insekten, die wie ein Zweig aussehen. Andere haben Blattform. Einige Fischarten können den Meeresboden so täuschend nachahmen, daß …«
    »Einige Quallenarten sind derart durchsichtig, daß man sie als unsichtbar bezeichnen könnte«, fuhr Arnold fort. »Die Biene erreicht diesen Effekt durch ihre hohe Geschwindigkeit, die Spitzmaus versteckt sich so gut, daß man sie überhaupt nicht zu Gesicht bekommt. Alles in der Natur steuert auf die Unsichtbarkeit hin!«
    »Das ist lächerlich. Die Natur stattet jedes Wesen aus, so gut sie kann. Aber sie hat sich bisher noch nicht die Mühe gemacht, eine einzelne Rasse dadurch unverwundbar zu machen, daß sie sie unsichtbar werden ließ.«
    »Du redest ausgesprochen teleologisch«, wandte Arnold ein. »Du gehst davon aus, daß die Natur ein bestimmtes Ziel verfolgt, wie der Verwalter einer großen Gärtnerei. Ich behaupte dagegen, daß das Ganze nur ein blinder, zufälliger Prozeß ist. Sicher, in der Regel überlebt der Durchschnitt, aber es geht auch nicht ohne Extreme. Irgendwann wäre die Natur bestimmt einmal auf die Unsichtbarkeit gestoßen.«
    »Wer ist hier der Teleologe? Versuchst du mir einzureden,
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