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Hexenzauber für den Hausgebrauch

Hexenzauber für den Hausgebrauch

Titel: Hexenzauber für den Hausgebrauch
Autoren: Verena Basilissa
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nun jemandem, den ich liebe, ein Unglück widerfährt und ich mit ihm leide, wessen Schicksal erlebe ich dann? Mein eigenes oder eines, das sich in einer Dimension abspielt, die sich mir anbietet wie ein großes Buffet?“
    „Das größte Leid erfahren die Menschen durch Außenstehende. Sie beziehen deren Tun auf sich selbst, identifizieren sich mit den Handlungen anderer. Dadurch erleiden sie ein scheinbares Schicksal. Denken Sie nur an die Liebe, die die Menschen und ihre Schicksale bis zur Unkenntlichkeit verändert, weil sie ihre eigene Richtung verloren haben.“
    „Ich finde es gnadenlos, was Sie hier sagen“, brachte ich mühsam heraus.
    Er lächelte. „Gnade braucht nur der, der fehlt, der gegen seine Destination handelt. Wer sein Schicksal erkennt, braucht die Gnade nicht in Anspruch zu nehmen, denn er lebt sein Schicksal, was bedeutet, er befindet sich in Harmonie mit den anderen Dimensionen. Er hat erkannt, dass er alleine der Schöpfer seines Schicksals ist.“
    „Also kein Gott und keine höheren Mächte?“
    „Nein.“ Er blieb unerbittlich. „Gott oder die höheren Mächte haben die Energie und die Idee gegeben, zusammen mit dem Auftrag, sich nach seinem Bild und Gleichnis zu entfalten. Sie sind nicht verantwortlich, wenn diese Gaben missbraucht werden.“
     „Und wenn ich diese Gaben niemals haben wollte, wenn ich so, wie ich jetzt lebe, niemals existieren wollte, was dann?“
    Der Mann lächelte zum zweiten Mal. „Sie haben Ihr Leben längst akzeptiert, sonst säßen Sie nicht hier an diesem Tisch als denkender und handelnder Mensch.“ Es entstand eine lange Pause.
    „Wie schaffe ich es, die Dimensionen zu erkennen und zu durchschauen?“, fragte ich schließlich in die Stille hinein.
    „Indem Sie lernen, sich selbst zu durchschauen und zu erkennen“, sagte der Mann und begann, die um ihn herumliegenden Bücher in Stapel einzuteilen.
    „Wie um alles in der Welt lernt man denn, sich selbst zu durchschauen?“
    „Das erfordert sehr viel Arbeit“, meinte er, stand auf, klemmte einen Stapel Bücher unter den Arm und ging auf die Leiter zu. „Wenn ich wüsste, wo ich mit der Arbeit zu beginnen hätte, würde ich es gerne versuchen“, sagte ich, während der Mann auf der obersten Sprosse der Leiter angekommen war. Er schwieg und begann bedächtig, Bücher einzuordnen. „Wenn Sie wollen“, kam es schließlich von oben, „dann kann ich Ihnen vielleicht helfen.“
    „Ich will, natürlich will ich, ich würde alles …“
    „Unter einer Bedingung“, schnitt er meine Beteuerungen ab. „Sie stellen keine Fragen und tun genau das, was ich sage.“ „Akzeptiert“, rief ich und bemerkte, dass in mir eine Fröhlichkeit aufstieg, die mich an Kinderzeiten erinnerte, an geheime Treffen, bei denen Abenteuer ausgeheckt wurden, von denen die Eltern nie etwas erfahren durften.
    „Gehen Sie jetzt nach Hause“, beendete die Stimme von oben meine Reminiszenzen, „überlegen Sie sich alles in Ruhe, und kommen Sie wieder, wenn Sie ganz sicher sind, dass Sie wirklich in den Spiegel Ihres Selbst sehen wollen. Wenn Sie nicht bereit sind, einen vielleicht schmerzlichen Umwandlungsprozess mitzumachen und Ihre bisherigen Gewohnheiten aufzugeben, dann kommen Sie bitte nicht mehr. Für Unentschlossene ist mir nämlich meine Zeit zu schade.“
    „Ich bin absolut sicher, dass …“
    „Wenn das so ist“, wurde ich unterbrochen, „dann schreiben Sie bitte auf einen Zettel alle Dinge, die Sie anders machen würden, dürften Sie Ihr Leben noch einmal leben. Vergessen Sie auch die Begründung nicht. Und kommen Sie erst wieder, wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Liste vollständig ist.“
    „In Ordnung“, willigte ich ein. „Wann treffe ich Sie wieder?“
    „Ich bin in der nächsten Zeit immer hier“, sagte der Mann, ohne sich auf seiner Leiter umzudrehen. „Ich habe sehr viel aufzuarbeiten, vieles, das schon zu lange gewartet hat. Leben Sie wohl.“
    Ich machte mich auf den Weg nach Hause, aber erst im Bus fiel mir auf, dass ich völlig vergessen hatte, mich weiter nach der Wohnung zu erkundigen.
    Noch am selben Abend setzte ich mich hin, vor mir ein großes, weißes Blatt, und versuchte, mich zu konzentrieren und zu erinnern. Was würde ich anders machen, wenn ich mein Leben noch einmal beginnen könnte?
    Sofort schossen mir tausend Dinge durch den Kopf. Bilder aus der Kindheit vermischten sich mit der jüngsten Vergangenheit und erzeugten ein wildes Puzzlespiel, dessen Teile keinerlei
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