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Hexenzauber für den Hausgebrauch

Hexenzauber für den Hausgebrauch

Titel: Hexenzauber für den Hausgebrauch
Autoren: Verena Basilissa
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unterbrochen.
    „Hatten wir nicht ein Abkommen?“, fragte der Mann. „Ich werde versuchen, Ihnen zu helfen, und mein Lohn sei, dass Sie mir keine Fragen stellen.“
    „In Ordnung“, sagte ich, rollte meine Liste missmutig wieder zusammen und stand auf. „Ich weiß nicht, wie lang ich brauchen werde, um dieses Problem zu klären.“
    „Das spielt keine Rolle“, lächelte der Mann. „Es gibt auf dieser Welt Dinge, bei denen die Zeit keine Rolle spielen darf.“
    Und wieder ging ich, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an die Wohnung verschwendet zu haben.
    Während ich im Bus saß, die Häuserreihen an mir vorbeiziehen ließ und im Gedränge der Passagiere hin- und hergeschoben wurde, ging mir das Gesicht des Mannes nicht aus dem Kopf. Die lebhaften, durchdringenden Augen, die bewusste, beherrschte Mimik hatten mich mehr gefangen genommen, als ich mir zunächst hatte eingestehen wollen. Sicher hing die Faszination auch damit zusammen, dass er im Beantworten von Fragen ähnlich bereitwillig schien wie Saint-Exupérys „Kleiner Prinz“. Ich musste innerlich lachen. Das Zeichnen eines Schafes erschien mir im Vergleich zu meiner Aufgabe geradezu simpel. Wann hatte ich mir je Gedanken über Bequemlichkeit und echte oder zweckdienliche Höflichkeit gemacht? Ich betrachtete die Menschen, die müde und uninteressiert zu Boden, in Zeitungen oder zum Fenster hinaussahen, und fühlte mich mit meinen philosophischen Gedankengängen wie ein Geschöpf von einem anderen Stern. Wer von ihnen hatte sich wohl schon jemals mit ähnlichen Überlegungen beschäftigt? Irgendwie kam ich mir lächerlich vor.
    Schwere Überschwemmungen und Erdrutsche in Italien las ich auf einer Zeitung. Von einer anderen grüßte ein Schauspieler mit hocherhobenem Oscar. Vielleicht war das, was mir geschehen war, einfach nur ein absurdes, zufälliges Vorkommnis, das ich ernster genommen hatte als nötig. Doch dann erinnerte ich mich an einen Satz: „Die Kunst des Lebens besteht darin, urteilsfähig zu sein.“ War nicht ich selbst es gewesen, der erst vor wenigen Tagen gesagt hatte: „Ich weiß nicht, wie ich mich entscheiden soll?“
    Wenige Schritte vor der Wohnungstür hörte ich mein Telefon läuten. Ich beeilte mich, den Schlüssel zu finden, verfehlte das Schloss, ließ eine Tüte mit Weintrauben fallen und stieß die Tür schließlich so heftig auf, dass sie beinahe den Spiegel des Flurschrankes zertrümmert hätte. Als ich den Hörer abhob, war gerade aufgelegt worden. Ich ärgerte mich über den Anrufer, über mich selbst, über die zerplatzte Tüte, über die plötzliche Wahrnehmung, dass das bloße Läuten eines Apparates mich in den letzten zwei Minuten zu mindestens drei Fehlleistungen hatte verleiten können.
    Ich setzte mich auf den Fußboden und verzehrte nachdenklich lädierte Weintrauben. Wenn Urteilsfähigkeit der Ausdruck einer vollendeten inneren Balance war, dann hatte ich sichtlich einiges zu lernen.
    Wieder meldete sich der Apparat, ich ließ ihn dreimal läuten, bevor ich abnahm. Eine Freundin, deren ungewollte Vertrauensperson ich seit einiger Zeit geworden war, überschüttete mich mit einem Redeschwall, dessen Inhalt mich weder berührte noch interessierte. Also ließ ich sie reden, fügte an passenden Stellen „Aha“ und „Nein, so etwas!“ ein und erfand nach einer Viertelstunde eine Ausrede, die mich das Gespräch ohne weitere Ausführungen beenden ließ. Wieder ärgerte ich mich. Warum war es mir nicht möglich gewesen, die Wahrheit zu sagen? Warum ließ ich es so unwidersprochen zu, dass 15 Minuten meines Lebens absolut fremdbestimmt vergangen waren? Ich versuchte, mir auszumalen, wie viel Zeit mir für wichtigere Dinge für mich selbst geblieben wäre, hätte ich schon seit Jahren den Entschluss gefasst, zumindest am Telefon zu entscheiden, was ich bereit war zu akzeptieren und was nicht. Ich zog die Liste aus meiner Tasche und begann zu schreiben.
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