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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Eichhörnchen, welches ihrer Welt den Garaus machen würde?

    Schielin sagte: »Sie waren an diesem Montag nicht im Lindaupark einkaufen, Frau Seipp. Sie waren draußen im Haus, bei Gundolf Kohn!«
    »Nur weil ich nicht im Lindaupark einkaufen war, muss ich nicht unbedingt in diesem Haus gewesen sein.«
    Wenzel nickte unsichtbar.
    Jasmin Gangbacher heulte innerlich auf. Schweig doch endlich! Schweig! Gerade hatte sie zugegeben, ein gefälschtes Alibi vorgelegt zu haben, und das nach einer Belehrung, die sie sogar nochmals bestätigt hatte. Sie war schon mittendrin, sich selbst zu fesseln und zu knebeln, mit Stricken aus Zahlen, Zeiten, Fotos, Fakten, Wahrheiten.
    »Wo waren Sie denn an diesem Montag?«, fragte Wenzel ruhig.
    Sie machte eine kleine Bewegung mit dem Kopf. Es war das erste Mal, dass in ihr das Gefühl aufschien, in einer wirklichen Falle zu sitzen.
    Jasmin Gangbacher stand leise auf, holte aus dem klapprigen Holzregal einen der braunen Plastikbecher, gab aus der Flasche Krumbacher Medium hinein – niemand sollte rülpsen müssen, wenn er gestehen wollte – und stellte den Becher vor Nora Seipp auf den Tisch. Es war keine Geste der Höflichkeit. Jedenfalls empfand es Nora Seipp nicht als eine solche. Es hatte etwas Mitleidiges – und Mitleid fand sie erniedrigend. Woher wussten die, wie trocken ihre Kehle gerade war? Sie holte ihre Erinnerungen hervor, von den Nächten, die ihr Kraft gaben, doch vermochte sie es nicht, dieses Gefühl der Kraft und Stärke zu reproduzieren, hier in dieser Welt, in welcher eins und eins immer zwei ergab. In einer Welt, die jedes Fragezeichen beseitigen musste.
    Wenzel unterbrach ihre Gedanken. »Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden, Frau Seipp. Wo waren Sie an jenem Montag?«
    Die Türe öffnete sich und wie zuvor verabredet kam Lydia Naber herein. Sie nahm gleich den ersten Stuhl an der oberen Schmalseite des Tisches, nickte Frau Seipp zu und schwieg wie die anderen
    Halt die Klappe!, wünschte sich Jasmin Gangbacher, und sah zu Nora Seipp hinüber.
    Schielin spürte die innere Zerrissenheit der Frau von gegenüber. Sie stand unter großem Druck und er musste in seichteres Gewässer gelangen, um das Reden als solches zu erhalten. Dass Lydia nun den letzten Platz besetzt hatte, machte die physische Umzingelung komplett und Nora Seipp war noch nicht schwach genug. Wie hatte der Berliner gesagt: Müde machen, umherlaufen lassen, nicht hinsetzen lassen, ohne zu bezahlen. So machten sie es jetzt mit Nora Seipp. Sie würde sich vorerst nicht setzen dürfen, musste ihre Gedanken immer umherlaufen lassen und würde irgendwann, in einem schwachen Augenblick, zahlen müssen.
    Schielins Ton war verbindlich. »Wissen Sie, Frau Seipp, dieser Fall hält viele offene Fragen für uns bereit und wir müssen ihnen nachgehen. Zum Beispiel die Wanduhr da draußen im Haus, die ging eine Stunde nach. Können Sie mir erklären wieso?«
    Sie sah ihn ernst und verwundert an, musste ihre Erinnerung an die Uhr herstellen.
    Schielin wusste, es war eine für sich genommen absurde Frage, die er da stellte, eine Ablenkung ohne Bedeutung, die sie aber damit beschäftigen würde, nach einer darin versteckten Gefahr zu suchen, was Kraft kosten würde. Immer weiter gehen, nicht setzen dürfen, müde werden und am Ende bezahlen müssen – darum ging es ihm.
    Als sie keine Gefahr sehen konnte, sagte sie: »Er mochte es einfach nicht, dass auf Sommerzeit umgestellt wurde. Das wollte er nicht. Es entsprach nicht seinem besonderen Sinn für die Ordnung der Welt, in welcher er lebte.«
    Schielin kritzelte etwas auf eines der Blätter Papier vor ihm und ging weiter durch seichtes Gewässer. »Und, Frau Kohn, sie hatte zum Beispiel keinen Zugriff auf die Konten. Haben Sie eine Erklärung dafür?«
    Jetzt, wo Schielin es erwähnte, fiel ihr wieder ein, wie wütend es sie damals gemacht hatte, als sie davon erfahren hatte. Es war eher zufällig gewesen. Sie blieb vorsichtig. »Das hatte vielleicht auch mit seinem Sinn für Ordnung, seiner Weltsicht zu tun.«
    Schielin lockerte seine Haltung, lächelte ihr zu und meinte beiläufig: »Na ja … vielleicht war deshalb immer so viel Bargeld im Haus. Da lagen ja einige Tausender in der weißen Schale herum, was wollte Gundolf Kohn damit machen?«
    In Gedanken sah sie die Geldscheine vor sich, war noch bei den letzten beiden Fragen und zuckte mit den Schultern. »Nein, ich weiß nicht, wofür er das viele Geld brauchte.«
    Jasmin Gangbacher presste die Lippen
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