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Die Insel des Schreckens

Die Insel des Schreckens

Titel: Die Insel des Schreckens
Autoren: Hans W. Wiener
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Hans W. Wiener
    INSEL DES SCHRECKENS
    »Was hältst du davon?« fragte Nottr, der Lorvaner. Er stand am Ruder der Kurnis.
    »Es sieht nicht gut aus«, antwortete er. »Dieses Licht, diese seltsamen Farben!« Er lehnte an der hinteren Reling des Schiffes und beobachtete den südlichen Horizont. Er stand breitbeinig und glich so das sanfte Schwanken der Kurnis aus.
    Ein leichter Wind blies aus dem Osten, sang in den Tauen und Verspannungen des Mastes und blähte das rechteckige Segel. Das Meer der Spinnen war ruhig. Flache Wellen spielten um den Bug des Schiffes. Über allem spannte sich ein tiefblauer, klarer Himmel.
    Und dennoch lag etwas Unheimliches in der Luft. Weit im Süden, dort, wo der Himmel das Meer berührte, braute sich etwas zusammen.
    Ein dunkelroter Regenbogen spannte sich wie ein gewaltiges Tor über dem Meer. In seinem Mittelpunkt bildete sich eine violette Wolke, schwoll an und wurde zusehends größer.
    Das Wasser verfärbte sich. Es nahm eine tiefrote Tönung an. Die leichten Wellen beruhigten sich. Das Meer wurde glatt und träge. Es glänzte ölig.
    Die Farbe des Blutes, dachte Mythor.
    »Einen so plötzlichen Wetterumschwung habe ich noch nie erlebt«, murmelte Nottr. Er dämpfte seine kräftige Stimme. So als ob er vermeiden wolle, dass ihn irgendwelche fremden Mächte hören könnten.
    »Wetterumschwung?« wiederholte Mythor zweifelnd, aber ebenso leise wie Nottr.
    Seine Hände legten sich auf die Brüstung der Reling, seine Finger umklammerten das rissige Holz.
    Ein Schwarm Seevögel näherte sich der Kurnis von Osten. Schreiend umkreisten die Tiere das Schiff. Auf ihrem glänzenden, hellen Gefieder spiegelte sich der Himmel wider und färbte sie ebenso rot wie das Meer.
    »Wie die Vögel, die nach einem Kampf über die getöteten Krieger herfallen«, flüsterte Nottr, und ein Schauder lief über den kräftigen, muskulösen Körper des Lorvaners.
    Die Vögel ließen sich auf der Reling, auf den Tauen und Verspannungen und auf dem Mast der Kurnis nieder. Ihre Schnäbel waren geöffnet, von Zeit zu Zeit entrang sich ihnen ein heiserer Schrei.
    Mythor streckte seinen Arm aus und griff nach einem der Vögel. Die sonst so scheuen Tiere ließen sich berühren, ohne davonzufliegen. Es sah so aus, als wüssten sie, dass die Gefahr, die möglicherweise von der Hand eines Menschen ausging, nichts war im Vergleich zu der Bedrohung, die von dem dunkelroten Regenbogen und der violetten Wolke ausging.
    »Sie suchen Schutz auf dem Schiff«, murmelte Nottr verwundert. »Aber Schutz wovor? Und kann die Kurnis ihnen Schutz bieten?«
    Es waren Fragen, auf die es keine Antwort gab. Noch nicht.
    Die Einstiegsluke im vorderen Teil des Schiffes wurde aufgestoßen, und der Steinmann kletterte auf das Deck der Kurnis. »Wie sieht's aus?« fragte er die beiden anderen Männer.
    Mythor und Nottr drehten sich nach ihm um, aber sie sagten nichts.
    »Beim Kleinen Nadomir«, flüsterte Sadagar mit einemmal heiser. Erst jetzt schien er die Verfärbung des Himmels und des Meeres zu bemerken.
    »Was nutzt uns jetzt dein Nadomir?« fuhr ihn Nottr gereizt an. »Kann er uns verraten, was sich hier zusammenbraut?«
    Sadagar achtete nicht auf die ärgerlichen Worte des Lorvaners. Er lief an die Reling und starrte auf den Regenbogen. Er presste seine ohnehin schon schmalen Lippen so fest aufeinander, dass sein Mund nur noch einem dünnen Strich glich. Dabei faltete er die Hände und verkrampfte die Finger ineinander.
    »Mythor, die Ratten!« rief plötzlich eine weibliche Stimme. Sie gellte schrill über das ganze Schiff.
    Mythor fuhr herum. In der Einstiegsluke, aus der der Steinmann heraus geklettert war, stand Kalathee. Sie stand breitbeinig auf der schmalen Treppe, die aus dem Inneren des Schiffes hinausführte. Ihre rechte Hand hatte sie zur Faust geballt und die Knöchel zwischen die Zähne geschoben. Ihre Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen.
    Um sie herum wimmelte es von Ratten. Die fetten, hässlichen Tiere sprangen aus der Luke und liefen über das Deck der Kurnis. Der Rumpf des Schiffes spie eine ständig wachsende Zahl der quiekenden Nager aus. Sie verkrallten sich in der Kleidung der blonden Frau und, kletterten an ihr hoch. Verzweifelt versuchte sie die Tiere abzuwehren. In ihrem Gesicht spiegelten sich Panik, Ekel und Entsetzen wider.
    Mythor riss sein Schwert aus dem Gürtel und lief über das Deck auf die gepeinigte Frau zu. Mit Alton fuhr er über die Planken und fegte die fetten Ratten zur Seite. Quiekend
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