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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein
Autoren: Jakob Maria Soedher
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ist. Weil es meine Mutter ist. Weil es meine Mutter ist. Weil es meine Mutter ist.«
    Das Hufeisen tanzte auf der Tischplatte im Takt ihrer Schläge, Schielins Unterlagen vibrierten stumm. Er hatte Angst, sie würde das Hufeisen packen und jemandem an den Kopf werfen. Wenzel und alle anderen sahen Nora Seipp zu, die vor ihren Augen die Tischplatte zu Gundolf Kohn machte und warteten ab, bis sie erschöpft in den Stuhl zurücksank.
    Als Wenzel wieder alle Sinnen beisammenhatte, fragte er so instinktlos wie genial: »Und dann?«
    Nora Seipp sah ihn mit offenem Mund an. Ihre Zunge wischte den Speichel von ihrer Unterlippe. »Er lag am Boden«, presste sie hervor, noch nach Atem ringend.
    »Wie?«, entfuhr es Wenzel.
    »Ich hatte ein Trennmesser in der Hand. Man benötigt es für alte Papiere, die in zusammenhängenden Bögen kommen, zum Auftrennen.«
    »Und mit dem …«
    »Habe ich ihn getötet.«
    Schielin wollte auf die juristischen Finessen hier nicht eingehen. »Was haben Sie dann getan?«
    »Ich wollte es ihr erklären, aber sie ist wie ferngesteuert an mir vorbeigelaufen, wortlos, einfach vorbeigelaufen und zur Tür hinaus.«
    »Wem wollten Sie was erklären?«, fragte Lydia Naber.
    »Ja, meiner Mutter.«
    »Wie? Sie war dabei, sie hat das alles mitbekommen?«, fragte sie fassungslos.
    »Natürlich.«
    »Ja, aber ich denke, sie war außer Haus. Wo war sie denn im Haus?«, fragte Schielin.
    »Hinten in der Küche hatte sie gestanden. Sie muss in der Zwischenzeit zurückgekommen sein. Ich habe das oben in der Werkstatt nicht mitbekommen. Es war … schrecklich … Sie hatte schon Kaffee gekocht …«
    Nun spürte Schielin einen leichten Schwindel. Er fuhr mit der Zunge einige Male über die Lippe.
    »Sie hat das alles mit angesehen und mit angehört?«, fragte er.
    Nora Seipp nickte und ließ einen grausigen Laut dabei hören.
    »Und Gundolf Kohn hat dieses Schauspiel aufgeführt, obwohl seine Frau es mit anhören und ansehen konnte?«
    »Ich weiß, das ist nicht zu glauben, aber genauso war es. Genauso war es.«
    Schielin nickte. Er wusste, dass sie die Wahrheit sprach. »Wie ging es dann weiter?«
    Von Nora Seipps Gesicht liefen die Schweißbäche in Strömen. Ihre Locken waren verklebt und jedes Schwingen war aus ihnen verschwunden. Unter dem Brustbein hatte sich auf dunkelrotem Seidengrund ein tiefschwarzer Ring gebildet.
    »Ich weiß nur, dass ich auf einem Stuhl saß und auf diesen verkrümmt daliegenden Menschen gesehen habe. Ich wollte eigentlich die Polizei anrufen, doch dann kam Brüggi die Einfahrt hochgefahren.«
    »Sie haben die Tür versperrt«, sagte Schielin.
    »Ja. Die Tür versperrt und das Radio leiser gedreht. Ich habe mich dann oben versteckt.«
    »Brüggi ist ja gleich wieder verschwunden«, sagte Lydia Naber.
    »Ja. Aber dann kam diese eklige Nachbarin … die Tätowierte.«
    Sie sah in die Runde und stellte fest, dass man wusste, wen sie meinte.
    »Aber die Tür war doch noch versperrt«, warf Wenzel ein, der keine Angst mehr hatte, dass er es sein könnte, der ihren Redefluss störte.
    »Nein. Als Brüggi weggefahren war, habe ich wieder aufgeschlossen und in den Hof rausgeschaut. Ich dachte … völlig verrückt … meine Mutter da irgendwo entdecken zu können. Da habe ich dann gesehen, wie diese schwarzhaarige Nachbarin von hinten über die Wiese gekommen ist. In dem Moment ist mir der Keller eingefallen.«
    »Der Schacht.«
    »Genau.«
    »Und durch den sind Sie dann verschwunden.«
    »Ja. Mir war eigentlich klar, dass diese Nachbarin umgehend die Polizei holen würde. Ich hatte ja eigentlich vor, das selbst zu tun, bis die dann auftauchte. Es ging alles so schnell. Ich meinte, dass dann ein Geständnis unmöglich wäre und bin eben weggerannt.«
    »Durch den Schacht sind Sie dann in der Nacht wieder ins Haus zurück. Warum?«
    »Ich hatte etwas für mich Unbezahlbares vergessen. Ein Geschenk meiner Großmutter. Außerdem war nichts zu hören von einem Mord. Nicht im Radio, nicht in der Zeitung, nicht in den Gesprächen in den Cafés. Ich war auch völlig konsterniert, dass von dem Geschehen nichts mehr zu sehen war. Ich dachte, dass vielleicht meine Mutter …«
    Schielin wusste im Moment nicht, was er sagen sollte.
    Jasmin Gangbacher freute sich, denn ihr war klar: Es war kein Mord. Mit einem guten Anwalt war es nicht mal Totschlag. Vielleicht war es eine Körperverletzung mit Todesfolge. Je nachdem, welchen Tag das Gericht erwischte. Aber es war kein Mord.
    Nach einer Weile, in der
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